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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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stand so dicht davor, seinem Leben die entscheidende Wendung zu geben. Nur ein Schritt trennte ihn noch vom Kaiserlichen Hof. Nur ein Schritt! Es fiel leichter, auf etwas zu verzichten, das zu erlangen man nie eine Gelegenheit erhielt. Aber so dicht davor zu stehen ... Er wußte nicht, wie er damit klarkommen sollte, falls er scheiterte. Er kehrte sich vom Fenster ab, stapfte mit der kaum gebändigten Kraftfülle eines Tigers im Käfig durchs Zimmer. Gardisten des Kaisers durchkämmten das Fremdenviertel; Taguiloa hörte den Wind die Geräusche ihrer Annäherung heran wehen. Gerüchte liefen um. Zusammen mit dem Frühstück hatte Jassi ihm einige davon zugetragen. Die Flüchtigen seien zwölf Schwestern gewesen, einander gleich wie ein Ei dem anderen, sie hätten vor dem Kaiser widernatürliche Handlungen vollzogen, um seine Schaulust zu befriedigen, mit jeder Wiederholung fiel die Beschreibung selbiger Handlungen schauerlicher aus. Oder es seien Schlangenmenschen mit Giftzähnen gewesen, die sich der Kaiser als Waffe gehalten habe, um die Meslar zum Gehorsam zu zwingen, die Meslar hätten sie entführt, weil sie den Kaiser zu ermorden beabsichtigten, und weil er darüber Bescheid wüßte, wäre er so nachdrücklich darauf aus, sie wiederzufinden. Oder sie sollten eine Versammlung von Hexen mit derartig unglaublichen Fähigkeiten sein, daß niemand wirklich sagen konnte, was sie zu tun vermochten, Blei verstanden sie zu Gold zu machen, einen Trank zu brauen, der Unsterblichkeit verlieh, ihre Wahrsagungen unterrichteten den Kaiser über alles, was auch im entlegensten Winkel Tigarezuns geschah. Alles Geschwätz. Nicht mit einem Wort brachte man Taguiloa und seine Truppe mit der Flucht in Zusammenhang. Anscheinend hatte Tungjii an Branns Plan gefallen gefunden und ihn unterstützt, es hatte so stark geregnet, daß sie dadurch die gesamte Nacht lang in Maratulliks Haus festgehalten worden waren, deshalb war es völlig undenkbar, daß sie mit dem Entweichen der Sklaven irgend etwas zu tun haben könnten. Keine Sorge, sagte sich Taguiloas Verstand, die Linke Hand weiß, wo wir uns in der Nacht aufgehalten haben, er kann gegen uns gar keinen Verdacht schöpfen. Aber gerade die Unwiderleglichkeit unserer Nichtbeteiligung, erwiderte sein Gefühl, könnte ihn argwöhnisch machen. Er braucht keine Beweise, um uns zu drangsalieren, für ihn genügen das geringste Mißtrauen und eine gewisse Bösartigkeit. Taguiloa versetzte einem Stuhl einen Tritt, schritt zur Tür und riß sie auf, erschreckte ein Dienstmädchen so sehr, daß es einen Packen schmutziger Badetücher fallen ließ. Er hob die Tücher auf und beauftragte das Mädchen, ihm von drunten noch ein paar Stullen und eine Kanne Tee bringen zu lassen.
    »Du bist aufgescheucht wie Flöhe auf 'm toten Hund«, sagte Jassi, nachdem sie das Tablett auf den Tisch am Fenster geschoben hatte, stemmte die Fäuste in die Hüften, musterte Taguiloa aus verengten Lidern. »Negomas hat erzählt, daß gestern abend alles bestens lief, wozu also die Aufregung? Wegen der entlaufenen Sklaven? Pah! So was kommt 'n halbdutzendmal im Jahr vor. Einige Tage lang haben wir Scherereien mit Gardisten, dann fängt man die armen Narren ein, und alles geht weiter wie zuvor. He, weißt du, warum die Garde 'n Bogen um den Gasthof macht? Weil du bei uns wohnst, das ist der Grund. Großvater hat sogar erwogen, ob er dir die Kosten für den Aufenthalt nicht erlassen soll, tja, und's ist nicht bloß beim Gedanken geblieben.« Sie kicherte. »Folglich kannst du in jeder Hinsicht völlig unbesorgt sein.«
    Taguiloa quälte sich ein Lächeln ab, schnippte Jassi eine Silbermünze zu. »Mich zermürben lediglich das Warten und die Ungewißheit, Jassi.«
    Sie zwinkerte ihm zu. »Keine Bange, Taga, du hast's geschafft. Wir kriegen hier vieles mit, deshalb kennen wir uns aus.« Sie lachte nochmals auf, schwenkte die Hüften von einer zur anderen Seite, ging hinaus.
    Taguiloa schloß die Tür und nahm das Hin- und Hergehen von neuem auf, trank unterdessen mehrere Becher des dampfenden kräftigen Tees. Die Leere in seinem Bauch, die ihn dazu veranlaßt hatte, Stullen zu bestellen, war gewichen, bevor Jassi mit einem zweiten Tablett wiederkehrte. Hilflosigkeit, das war es, was er empfand, er war nichts mehr zu unternehmen imstande, das den weiteren Verlauf der Dinge beeinflussen konnte; er entsann sich nicht daran, sich je so hilflos gefühlt zu haben seit dem Tag, da der vier Lenze alte Taguiloa allein auf dem Tosen

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