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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Handwerk, das sie fortan auszuüben beabsichtigte. Und so gut wie niemand würde über ihre Entscheidung überrascht sein.
    Das Dasein in Arth Slya war angenehm, sogar richtig schön, wenn man sich vollständig einfügen konnte, aber fühlte man sich dazu weniger imstande, ähnelte es einem Paar neuer Stiefel, man scheuerte sich ein wenig wund, während man sich daran gewöhnte. Branns Vater und ihre zwei älteren Brüder waren mit der Karawane gezogen, die zur dreijährigen Messe zu Grannsha aufgebrochen war; sie hätte sie gern begleitet, doch ihre Mutter hatte ein fürs Reisen noch zu junges Kind und konnte nicht fort, und wenn ihre Mutter blieb, mußte auch Brann bleiben. Sie hielt es für Blödsinn, nicht mitzudürfen, doch außer ihr betrachtete niemand die Sache so. Und sie machte deswegen auch kein großes Aufheben, denn es stand der letzte Sommer bevor, den sie nach Belieben verbringen konnte, der letzte Sommer, ehe sie eine Lehre antreten und jede Menge richtige Arbeit auf sich nehmen mußte, der allerletzte Sommer, da sie noch am Berg umherstreifen, Tiere und alles andere beobachten konnte, mit Tinte und Pinseln (die zu gebrauchen und selber herzustellen Tante Seansi sie gelehrt, Arth Slyas Dichterin und Schreiberin) auf dem Zeichenblock (den Onkel Gemar, der Papierer, für sie geheftet hatte) Gesehenes festzuhalten vermochte.
    Anhand von Zeichnungen Branns hatte ihre Mutter ihr ein knielanges Kleid mit einem Zierstreifen voller Frösche und Wasserjungfern gewoben, dazu Dunkelgrün-, Braun- und Rottöne auf hellem graugrünen Hintergrund verwendet. Während die Zeit verstrich, erkannten auch andere Leute den Wert ihrer Zeichnungen. Der Maler und WandschirmHersteller Sjiall begab sich, nachdem er ihre Abbildungen von Pflanzen und Insekten gesehen hatte, selbst in die Berge, um ähnliche Entdeckungen zu machen. Ihr Vater und Immer hatten sie Entwürfe etlicher für ihr Steingut bestimmter Muster anfertigen lassen. Onkel Migel hatte mehrere Bilder von Ottern und Wölfen als Vorlage genommen und Nachbildungen in die Griffe von Schwertern und Messern geschnitzt, Brann später sogar mit besonderen Aufträgen auf die Berghänge geschickt. Ohm Inar, der Glasbläser, sowie der Kupferstecher und Einlegekünstler Idadro hatten ihre altüberlieferten Gestaltungen um Anregungen aus Branns Zeichenwerk bereichert. Sie konnte sich für eine Lehre in jedem dieser Häuser entscheiden; das war ihr erklärt worden. Der Gedanke an das Lob dieser Menschen verursachte Brann vor lauter Freude Verlegenheit.
    Obschon das Leben, das sie im Tal führte, sie bisweilen verdroß und ihr künftiges Dasein, wie es sich voraussehen ließ, ihr manchmal wenig befriedigend vorkam, empfand sie die Welt außerhalb des Tals als beängstigend. Das wenige, was sie von ihr wußte — von Bewerbern, die das Tal aufsuchten —, schreckte sie ab. Nur selten waren darunter Mädchen, und sie hatten Geschichten zu erzählen, die einem Gänsehaut bereiteten, den Magen umzudrehen drohten. Die Jünglinge sah sie bei jeder Schelte zu bibbern anfangen oder aus heftiger, trotziger, jedoch unterdrückter Widerspenstigkeit zittrig werden, in übertriebener Weise auf ihre Besitztümer und gar ihre Gedanken achtgeben, sie sah ihre Verzweiflung, nahm man sie nicht als Lehrling an. Selbst jene Bewerber, die man einstellte, brauchten mehrere Jahre, um offener, unbekümmerter und freimütiger zu werden, schließlich mehr oder weniger wie jeder andere Bewohner des Tals zu sein. Und noch etwas gab Anlaß zur Sorge: Seit der letzten Messe war die Zuwanderung junger Menschen in die Berge völlig zum Erliegen gelangt. Von jener Messe waren Talbewohner mit Gerüchten über Unruhen sowie Berichten über ein allgemeines Mißbehagen in den Ebenen heimgekehrt. In Grannsha, so hieß es, seien Legaten vom Festland gewesen und hätten Forderungen erhoben, die die Kumaliyn unmöglich erfüllen könnten. Dennoch erwartete niemand, daß irgendein Unheil Arth Slya heimsuchte, der Ort war abgelegen und schwer erreichbar; keine richtige Straße führte her, lediglich ein unwegsamer gewundener Gebirgspfad, den mit einem Heer zu beschreiten niemand versuchen würde, der noch den Verstand beisammen hatte.
    Brann schlenderte zurück zu ihrem Felsklotz, setzte sich hin und aß einen Apfel, sah den Possen der Otter zu, die sich eine Schlammrutsche gebaut hatten und nun wild umherhetzten, den Schlick hinabschlitterten, im Wasser planschten, das abgehackte Gekläff ihrer Lustigkeit ausstießen.

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