Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
Slyas lebte und Slyas Gebote befolgte.
    Als sie dem Strom zuletzt den Rücken zukehrte, wartete der Werhengst bei der gestürzten Esche. Sie sattelte ihn, warf ihm die ausgebeulten Satteltaschen über, band Spaten und Beil fest, stieg dann auf den Baumstamm und schwang sich aufs Pferd. Es trabte zum Bergpfad, tänzelte ein paarmal, um sich aufzulockern, sprengte danach von neuem den Berg hinab, seine kristallgleichen Augen hatten keinerlei Schwierigkeiten mit den düsteren Schatten zwischen den Bäumen. Abwärts ging es, abwärts ...
    Bis sie einen neben den Pfad geworfenen Leichnam erblickte, die Leiche eines Jünglings, der sich um eine klaffende Wunde in seinem Brustkorb zu krümmen schien. Sie schrie dem Pferd zu, es solle anhalten, sprang ab und rannte auf dem Weg zurück. Sie kniete neben dem Toten nieder, wälzte ihn herum. »Marran«, flüsterte sie, streifte ihm Dreck und Laub vom Gesicht. Seine Augen standen offen, waren glanzlos und eingesunken. Sie versuchte sie zu schließen, aber ihre Hände zitterten, sie schaffte es nicht. Hinter ihr stampfte der Hengst ungeduldig mit den Hufen, wieherte endlich und stieß sie mit der Nase an. »Laß das«, sagte Brann, »laß mich in Ruhe!«
    Sie gab ihre Bemühungen auf, Marrans Leichnam auszustrecken, hockte sich auf die Fersen und schaute rundum, die Zunge zwischen den Zähnen.
    Yaril erschien als Kind bei ihr, kauerte sich neben Marrans Leiche. Sie legte eine Hand aufs Gesicht des Jünglings, nahm sie fort. »Tot seit über einem Tag, Brann. Da kannst du nichts mehr tun.«
    Langsam zwinkerte Brann, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Es ist Marran«, sagte sie, richtete sich auf. »Helft mir Holz zu sammeln!« Mit unsicheren Händen löste sie das Beil vom auf der Erde zurückgebliebenen Sattel, entfernte sich. »Wir müssen ihm durch Verbrennen die Freiheit geben.« Ihr Blick forschte nach trockenem Reisig. Yaril und Jaril liefen mit, redeten auf sie ein, versuchten sie umzustimmen.
    »Wir sind den Temueng inzwischen zu nah, es wird dunkel, sie werden ein Feuer sehen, das groß genug ist, um einen Leichnam zu verbrennen. Er ist tot, welche Bedeutung hat's noch, ihn auf einen Scheiterhaufen zu betten? Befrei deine Leute und laß sie sich seiner annehmen, Brann, Brombeer, Brombeer-voller-Dornen, es wird bald soweit sein, wenn wir uns nun sputen, im Morgengrauen können sie frei sein und bei Sonnenaufgang auf dem Rückweg zum Ort hier vorüberkommen, vorwärts, Brann, los doch ...«
    Brann schüttelte den Kopf, den Mund trotzig zusammengepreßt. Sie mochte sich von etwas, das sie als richtig bewertete, an dem sie festzuhalten beabsichtigte, nicht abbringen lassen; verzichtete sie auf einen Bestandteil, entglitt ihr möglicherweise nach und nach auch der Rest. Verwirrt und verunsichert, allein und zur Anleitung mit nichts als Erinnerungen ausgestattet, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich an das zu klammern, was sie wußte: daß dies Marran war. Daß sie ihm sein Feuer schuldete. Sie bebte, die Knie drohten ihr einzuknicken, sie griff nach einem Zweig, der ihr Gesicht streifte. Holz. Ja. Sie straffte die Glieder und hob das Beil.
    Eins der Kinder gab einen gereizten Summton von sich, und im nächsten Augenblick erschienen sie beide vor Brann, faßten ihre Arme, entwanden ihr das Beil, sie versuchte zu entweichen, doch ihre Fäuste packten sie, als wäre ihr und Branns Fleisch miteinander verschmolzen. Ihre Glut drang in Brann ein; sie lähmte sie, bannte sie an den Fleck, auf dem sie stand, als hätten ihre Füße Wurzeln geschlagen. Sie schrie, unternahm noch einen Versuch, sich ihnen zu entziehen; aber sie hielten sie fest, die Glut hielt sie zurück. Furchterfüllt wand sie sich wie eine Rasende, wehrte sich vergeblich gegen den zweifachen Zugriff, bis Yarils Worte ihr schließlich durch die Panik ins Bewußtsein drangen.
    »Warte, warte, hör uns an, Brombeerlein, hör zu, wir vermögen dir behilflich zu sein, so horch doch, wir werden dir helfen, wir verstehen dich ja, hör nur zu ...«
    Brann beruhigte sich, atmete schwer. Die Umklammerung der Arme lockerte sich; plötzlich konnte sie sich wieder rühren, leckte sich die rauhen Lippen. »Hören?«
    »Laß uns dir ein Feuer entzünden!«
    »Wa ...?«
    »Geh hin, setz dich zu dem Jüngling und wart ab! Wir werden für deinen Freund ein heißeres, pureres Feuer entfachen, Brombeer, er wird brennen wie im Herzen des Bergs. Ist dir das nicht lieber, als seinen Scheiterhaufen aus moosigem Holz zu

Weitere Kostenlose Bücher