Brann 01 - Seelentrinkerin
sie ihm mit der Hand den seidenweichen Strich des Rückens, kratzte ihn versonnen hinter den weichen Hängeohren. »So wird es sein?« Der Hund winselte. Brann schabte sich mit der Faust die Brauen. »Es geht mir gut, keine Sorge. Sorge? Ich vermute, ihr sorgt euch um mich, sonst würdet ihr mir nichts erklären, sondern mich einfach dies und das tun lassen. Und nun? War das genug, oder benötigt ihr mehr? Nur zu! Ich werde mir vorzustellen versuchen, es sei nichts anderes als Hühner fürs Abendessen zu rupfen. Treibt noch ein paar Tiere her, ich singe euch dazu den Segen, während ihr fort seid.« Über die Schulter blickte sie das Kliff hinab und schluckte, ballte die Hand erneut zur Faust. »Slya sagt, alles Leben ist heilig, jeder Tod muß gefeiert und beklagt werden.« Sie sprach ernst und würdig, fühlte die Bürde des Brauchtums auf den schmalen Schultern. Jaril rieb sich den Schädel an ihrem Arm und lief seiner Schwester nach.
Ein Tag, eine Nacht und noch ein Tag verstrichen, Brann und die Kinder lernten die Regeln ihrer neuartigen Vereinigung. Einen Tag, eine Nacht und einen Tag lang saugten sie das Leben kleiner und größerer Tiere auf, fanden dadurch gemeinsame Nahrung. Brann setzte sich über Trauer, Zorn, Ungeduld und Furcht hinweg; nur im Traum mißlang es ihr, wenn Erinnerungen sich zu Alpträumen auswuchsen. Die Kinder bargen Essen und Gebrauchsgegenstände, kümmerten sich, als sich Brann an dies Erfordernis entsonnen hatte, ums Vieh. »Die Kühe werden keine Milch mehr geben«, sagte sie. »Könnt ihr nicht irgend etwas tun?«
»Brombeerchen«, entgegneten die Kinder, »wir sind nur zu zweit. Wenigstens werden die Tiere am Leben bleiben.«
Einen Tag, eine Nacht und abermals ein Tag verstrichen; und dann noch eine Nacht. Als sich die Sonne über den Horizont erhob, machte sich Brann daran, den Dörflern zu folgen.
Brann ritt auf einem wilden schwarzen Werhengst den Berg hinunter, die schwarze Mähne wehte ihr ins Gesicht, Bruder und Schwester waren in dem Roß eins geworden, trugen sie und die aus den abgebrannten Häusern geretteten Sachen. Wie der Wind sausten sie bergab, Brann ebenso wilderregt wie das große Tier, auf dem sie saß. Bergab durch den klaren kühlen Morgen, einen wunderschönen prachtvollen Morgen, obwohl Arth Slya zerstört war, völlig vernichtet. Der Tag hätte weinen, die Sonne hinter dicken Wolkenschichten verborgen bleiben, die Bäume hätten sich neigen und seufzen, der Fluß hätte düster-grau sein müssen, aber es war nicht so. Und Brann vermochte sich so wenig zu grämen wie der Tag, die Berge und der Himmel. Die Sprungkraft der starken Pferdemuskeln unter ihren Beinen erregte sie, der Muskeln, die ihre Kraft — genau wie sie selbst — aus dem Leben von Wölfen und Coynos bezogen. Brann lachte laut, lachte noch einmal, als der Werhengst vor Vergnügen schnaubte.
Am Spätnachmittag erreichten sie den ersten von etlichen Wasserfallen. Der Werhengst hielt bei einer vom Sturm gefällten Esche, die langsam in die Erde moderte, zerfiel in zwei gefleckte Jagdhunde, nachdem sich Brann mit einem Aufstöhnen hinabgeschwungen hatte, die steifen Muskeln schmerzten, die aufgescheuerten Schenkel brannten. Die Hunde ließen Sattel und Gepäck liegen, schnürten ins Gehölz. Brann räkelte sich, stöhnte noch einmal, durchsuchte dann das Gepäck, holte das Beil hervor und ging Brennholz für ein Feuer schlagen, wankte auf Beinen dahin, die sich wie feuchte Nudeln anfühlten, die Knie gespreizt, um die Schenkel zu schonen. Sobald das Feuer loderte, an einem aus Ästen errichteten Dreibein der Kessel baumelte, streifte Brann die Kleider ab und setzte sich in einer kleinen Bucht bei den Wurzeln der Esche, wo die Strömung sie nicht mitreißen konnte, ans Wasser, auf eine vom Naß blankgespülte Wurzel, senkte die Beine in den Fluß, sah zu, wie das rauhe Rot an den Innenseiten der Schenkel rosa wurde, das Rosa zur stumpfen Weißlichkeit gesunder Haut. Beim Bemühen, den Kessel richtig ans Dreibein zu hängen, hatte sie sich den Finger verbrannt. Die Brandblase trocknete, vor Branns Augen entstanden in der verdorrten Haut Risse, sie pellte ab, und von der Verletzung blieb nicht die geringste Spur zurück. Eine bemerkenswerte Veränderung, befand Brann. Sie rutschte von dem Wurzel Strunk, tauchte kurz ganz unter, stieg aus dem Wasser, streckte den triefnassen Körper auf dem harten hellen Stamm der Esche aus, die Sonne schien ihr mit willkommener Wärme auf Rücken und Beine, und
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