Brann 01 - Seelentrinkerin
unterdrücken. »Er soll's nicht haben, ich werd's nicht zulassen, er darf s nicht haben.« In hilfloser Wut erinnerte sie sich an den Anblick, wie Krieger Beute aus ihrem Elternhaus geschleppt hatten, darunter auch die Truhe mit dem Das'n vuor-Geschirr, die Truhe mit der Das'n vuor-Kanne, die Truhe mit den hundert Bechern, wie der Temueng-Pimush mit dem Goldhelm sich mit gieriger Miene über sie gebeugt, alles begrabscht, für sich beansprucht hatte. »Nein!«
Das Hundegebell erscholl lauter, näher. Brann setzte die Trinkschale ab, stand auf, wartete in geduckter Haltung.
Aus dem Wald kam unter Kreischen und Fauchen ein schwarzes Tier gesprungen, es zögerte, sobald es sie sah, ein Malouch mit Krallen, die sogar einem zähen alten Eber das Fleisch in Fetzen herabreißen konnten. Er heulte erneut auf, warf sich herum, wollte kehrtmachen, aber die Hündin war für ihn zu schnell, wich seinem Prankenhieb mit einer Flinkheit aus, die bewirkte, daß ihre Gestalt zu einem fleckigen Schlieren verschwamm. Sie biß ihn in den Hinterlauf, vollführte einen Rückwärtssatz. Sobald Yaril den Malouch abgelenkt hatte, eilte Brann hinzu, schlug ihm eine Hand seitlich an den Schädel. Der Malouch drehte sich, seine Krallen schrammten über Branns Arm, doch da erstarrte er, als sie ihm das Leben zu entziehen begann, glich plötzlich einem schwarzen Mahnmal des Hasses, außerstande zu jeder Bewegung, unfähig zu jedem Laut. Während sie das Bluten des Arms und den Schmerz mißachtete, legte Brann ihm auch die andere Hand an den Kopf. Seine heiße rohe Lebenskraft strömte zu ihr über, schrecklich und erschreckend, bereitete ihr das mulmige Behagen, das sie verabscheute, aber ihr unterdessen unentbehrlich zu werden begann. Zuletzt war der Malouch nur noch ein Häuflein Fell und Fleisch, das ihr aus den Händen sackte.
Jaril und Yaril, wieder in Kinder verwandelt, faßten Branns Hände, und die Glut floß aus ihr zu ihnen über. Allmählich fühlte sie sich innerlich wieder reiner, jedoch blieb einiges in ihr zurück; der Malouch hatte sich mit einer Wut ans Leben geklammert, die ihr nachträglich Kummer und Widerwillen verursachte, und sie wäre lieber alles, was sie ihm genommen hatte, wieder losgeworden; sie versuchte die Kinder noch zurückzuhalten, sich der ganzen geraubten Lebenskraft restlos zu entledigen, doch das Paar zerlief gleichsam, entwich ihrem Griff, verflüchtigte sich, leuchtete über dem verwühlten Gepäck, verschmolz dann erneut zum Werhengst, der schnaubte und ungeduldig mit den Hufen stampfte, die Kinder gedachten den Weg zügig fortzusetzen.
Brann strich mit den Fingern am aufgeschrammten Arm entlang. Die Verletzungen hatten sich bereits geschlossen, durch die Risse im Ärmel waren bloß narbige rötliche Furchen noch sichtbar. Mit dem Messer, das sie am Gürtel trug, schnitt sie die blutigen Fetzen des Ärmels ab, warf sie ins Feuer. Nach kurzem Nachdenken trennte sie auch den anderen Ärmel in gleicher Höhe ab. Anschließend kniete sie am Flußufer nieder und wusch sich das geronnene Blut vom Arm. Als sie damit fertig war, hatten sich die Kratzwunden geschlossen, sogar die rötliche Verfärbung war verschwunden. Für einen Augenblick betrachtete sie den Arm, dann bückte sie sich noch einmal, schöpfte Wasser, spritzte es sich ins Gesicht, trank auch ein wenig. Der Werhengst teilte sich wieder in zwei Kinder, die zu ihr kamen, sie mit Fragen, Forderungen und Bitten bestürmten, während sie sich auf der Lichtung betätigte, mit den Füßen Laub auf den Kadaver des Malouchs häufte, die von seinen Krallen ins Gras gescharrten Kerben glättete, mit peinlich genauer Sorgfalt die Satteltaschen packte, das Dreibein abbaute, das Lagerfeuer löschte, das verkohlte Brennholz vergrub. Sie redete kein Wort mit ihnen, weigerte sich hartnäckig, nur ihre Gegenwart zur Kenntnis zu nehmen; vielmehr stellte sie sich in ihrem ganzen Trübsinn ans Ufer, sang ein Klagelied für den Malouch und das verfeuerte Holz, sang auch ein Loblied auf den lebendigen Strom, den lebendigen Wald. Eine Woche vorher hätte sie alles das getan — die Wiederherstellung des Naturzustands, das Absingen der Lieder —, nur weil sie ähnliches schon hundertmal ausgeführt hatte und das Einhalten überlieferter Bräuche ihrem Dasein beruhigenden Halt bot. Diesmal jedoch war es ein Mittel, um den mörderischen Eindringlingen das Beharren darauf entgegenzusetzen, daß sich nichts geändert hatte, daß Arth Slya lebte, solange eines der Kinder
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