Brann 01 - Seelentrinkerin
was du brauchst, um ein Auslaufen zu ermöglichen«, fügte die Frau hinzu, »und wir uns über die Bedingungen einigen, werde ich sehen, was ich tun kann, um das Geld aufzubringen.«
Sammang musterte sie genauer. Nein, tatsächlich keine Hure. Sie sprach nicht in der richtigen Weise auf ihn an. Ihre Haltung ihm gegenüber zeichnete sich durch sonderbare Kindlichkeit und Sachlichkeit aus. Ihrem Körper ließen sich keinerlei Anzeichen weiblicher Lüsternheit ansehen. Hinter dieser Maske erkannte er durch Unsicherheit verursachte Beunruhigung. Er schnalzte mit der Zunge an den Zähnen, die Augen weiteten sich ihm, als er begriff, wer sie sein mußte.
Sie hatte große grüne Augen in einem Gesicht, das eher bemerkenswert war als schön, sie wirkte ziemlich ausgezehrt, als litte sie schon seit längerem Hunger. Ein voller, aber streng beherrschter Mund. Die Haut glich Alabaster im Mondschein. Die auf den Tisch gelegten Hände waren lang, schmal und kräftig, keine an Müßiggang gewöhnten Hände. Wenn sie den Kopf bewegte, schimmerte das schulterlange, weiche, silberblonde Haar im Schein der Lampen, die in der Schänke hingen. Sie paßte nicht in eine solche Spelunke. Sammang hatte plötzlich den Verdacht, sie sähe wohl überall verfehlt aus, an jeder Örtlichkeit, die er sich vorstellen konnte. Bei Primalaus gewandtem Pfriem, wie sie in diesem Viertel der Stadt unbehelligt umherzulaufen imstande war, mußte einem Mann ein Rätsel bleiben! Er fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe, tappte mit den Daumen auf die Tischplatte. Vielleicht schaffte sie es wirklich, die Meermaid freizukaufen; vielleicht trug sie nur dazu bei, seinen Kopf in die Schlinge der Temueng zu stecken. Ein Wagnis, aber was lief nicht auf ein Wagnis hinaus? »Warum nicht?« meinte er. »Aber hier können wir uns nicht besprechen.« Er dachte an die Gerüchte, die Toten in der Ebene, die Toten in der Stadt, die Toten in der Bucht, dann leerte er den Krug, setzte ihn mit einem vernehmlichem Knall ab, bei dem die Hände der Frau zuckten. »Ich habe oben eine Kammer.«
Unversehens lächelte die Frau, zeigte ein schalkhaftes Grinsen, als wäre sie ein Gassenbalg, es veränderte ihr Gesicht völlig. »Sei besonnen, Schiffsherr! Es ist wenig ratsam, mich zu verärgern.«
Sammang stand auf. »Die Entscheidung liegt bei dir.« Er überließ es ihr, sich ihm anzuschließen, wenn sie es wollte, war sich insgeheim nicht mehr so sicher, ob er nicht doch auf weibliche Gesellschaft Wert legte, hörte hinter sich, während er mehrere Treppen hinaufstieg, ihre gedämpften Schritte. Er hauste im fünften Stockwerk, unter dem Dach, weniger wegen des niedrigeren Preises als aufgrund der Frischluft, die durch die unverglasten Fenster hereinwehte. Er sperrte die Tür auf, schob sie einwärts, betrat die Kammer und blieb stehen.
Auf seinem Bett saßen im Schneidersitz zwei Kinder, Mondlicht glänzte auf ihrem hellen Haar, gleißte in den kristallgleichen Augen.
Das Weib strebte an Sammang vorbei ins Zimmer, ließ sich auf einem wackligen Stuhl am Fenster nieder. »Meine Begleiter«, sagte sie. »Schließ die Tür!« Als er zögerte, lachte sie auf. »Fürchtest du dich vor einer Frau und einem Paar Kindlein?« Sammang betrachtete den Schlüssel in seiner Hand, hob die Schultern. »Könnte durchaus das Klügste sein, was ich seit Monaten getan habe.« Er machte die Tür zu, verriegelte sie, ging zu einem anderen Fenster und hockte sich aufs Fenstersims. »Yaril«, fragte die Frau, »sind irgendwelche Schnüffler in der Nähe?«
»Nein, Brann.« Das Kind mit dem helleren Haarschopf grinste sie an. »Aber Jaril hat Hermy der Nase einen Stein auf die Birne fallen lassen.«
»In der Nähe?«
Das Kind mit dem dunkleren Haar bewegte die Hand hin und her. »Wie man's nimmt. Hab ihn 'n paar Straßen weiter erwischt, er stöberte dort herum, versuchte rauszukriegen, wo du geblieben bist. Sonst hat's niemand auf dich abgesehen ... Außer aus den üblichen Gründen.«
»Ha, sprich nur über Angelegenheiten, von denen du 'ne Ahnung hast, du Flegel. Hmm, ich glaube, es ist trotzdem sicherer, du schaust dich draußen um und sorgst dafür, daß wir nicht gestört werden.« Sie wandte sich an Sammang. »Laß ihn bitte hinaus.« »Was kann 'n Kind denn schon ausrichten?« »Weit mehr, als du zu wissen brauchst, Schiffsherr.« Sammang hob die Schultern. »Also komm, Kind!« Sobald er den Riegel wieder vorgeschoben hatte, stapfte er zurück ans Fenster, stützte eine Hüfte
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