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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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aufs Gesims, beugte sich so hinaus, daß er nicht nur über die Dächer hinweg zur Flußmündung spähen, sondern gleichzeitig auch die Frau und das noch anwesende Kind im Augenmerk behielt. »Weshalb ich?« fragte er. »Warum nimmst du kein Temuengschiff? Es laufen ständig welche ein und aus. Billiger sind sie obendrein, während ich dich teuer kommen werde ... Dein Name ist Brann, ja? Schön. Ich bin teuer. Vielleicht teurer als angebracht. Wenn du bist, für die ich dich halte, hast du schon weit und breit Temueng zu Narren gemacht, folglich denke ich mir, du könntest's geradeso weiter derartig treiben. Weißt du, im allgemeinen bin ich mit zahlungskräftigen Kunden nicht so ehrlich, aber in diesem Fall möchte ich wissen, worauf ich mich einlasse.«
    »Ehrlich, so?« Sammang wölbte die Brauen, schwieg jedoch. »Du weißt sehr gut, worauf du dich einläßt, Schiffsherr.«
    Das Kind — Sammang neigte immer stärker zu der Auffassung, es war ein Mädchen — rutschte vom Bett, schritt mit unheimlicher Lautlosigkeit über die ansonsten recht geräuschvollen Dielen des Fußbodens, rührte mit einem bläßlichen Fingerchen an den Docht der dicken Kerze, die auf dem klapprigen Tisch stand, dem einzigen weiteren Einrichtungsgegenstand der Kammer.
    Der Docht fing Feuer, ein warmer gelber Schein breitete sich über Brann und Sammang, über die Hügel und Mulden des schäbigen Betts. Das Mädchen kehrte dorthin zurück, setzte sich wieder hin, maß Sammang für ein recht unbehagliches Weilchen mit durchdringendem Blick, scharfe Spiegelbilder des Kerzenflämmchens tanzten in den seltsamen Augen. »Sag's ihm!« empfahl das Mädchen. »Er hat angebissen, es mag nützlich sein, er erfährt alles, mag sein, er hat bessere Einfälle als wir, er kennt diese Stadt und die Temueng. Du kannst ihm in nahezu jeder Hinsicht trauen, es sei denn, er will dir etwas verkaufen.«
    Verdrossen schaute Sammang das Mädchen an, schnob angesichts des frechen Grinsens der Göre, lenkte den Blick hinüber zu der Frau. »Hast du schon einmal von Arth Slya gehört?« fragte sie. Bei den letzten zwei Wörtern versagte ihr die Stimme; sie räusperte sich, wartete auf seine Antwort.
    »Wer hätt's nicht?«
    »Es war meine Heimat.«
    »War?« Sammang beugte sich vor, verspürte mit einem Mal höchstes Interesse; falls Arth Slya nicht mehr bestand, mußten die im Laderaum der Meermaid verborgenen Waren noch wertvoller geworden, wesentlich im Wert gestiegen sein.
    »Temueng kamen, ein Pimush und fünfzig Mann. Sie mordeten, verschleppten die Bewohner ...« Nochmals erstickte ihre Stimme; hastig wandte sie den Kopf ab, bis sie wieder sprechen konnte. »Die Jüngsten und die Ältesten haben sie getötet, alle anderen fortgeschleppt ... als Sklaven ... auf Befehl des Kaisers ... der Pimush hat's mir verraten ... Sklaven für den Kaiser ... Einen alten Großkotz ... hat der Pimush ihn genannt ... er ist tot ... seine Männer auch ... Ich habe sie umgebracht ... die Kinder und ich haben sie getötet ... Arth Slyas Einwohner ... die Überlebenden ... sind wieder daheim ... sie bemühen sich ... alles wiederaufzubauen.«
    Ihre Schultern hoben und senkten sich merklich, eine Zeitlang atmete sie schwer; schließlich hob sie den Kopf, zeigte erneut die Maske der Sachlichkeit, redete in forscherem Ton weiter. »Slya erwachte und hauchte Feuer aus, verwarf das Land, so daß Arth Slya nun vom Rest der Welt abgeschnitten ist. Ich bezweifle, daß die Temueng viel von Arth Slya hören werden, solange sie Croaldhu besetzt halten.«
    Sammang zupfte sich am Ohrläppchen, verkniff die Lider. »Du hast's auf den Kaiser abgesehen?«
    »Nein. Na ja, nicht unbedingt. Dieses Jahr findet zu Grannsha die Messe statt.«
    »Das weiß ich, Slya-Geborene. Ihretwegen segelte ich nach Tavisteen und geriet in diese Rattenfalle.«
    »Auch die Einwohner Arth Slyas reisten zur Messe. Der Pimush hat gesagt, man brächte sie nach Andurya Durat, dort sollten sie in eigens errichteten Werkstätten allein für den Kaiser, den alten Großkotz ...« Sie lachte; ihr Lachen klang nicht gerade angenehm. »In diesen Einrichtungen sollen sie ausschließlich für ihn arbeiten. Sklaven, Schiffsherr. Unter ihnen sind mein Vater und zwei meiner Brüder, mein eigenes Fleisch und Blut. Ich habe nicht vor, sie der Sklaverei zu überlassen.« Sie sprach mit steinharter Entschlossenheit, die zur Folge hatte, daß Sammang froh darüber war, weder Temueng zu sein noch Sklavenhändler. Er nickte, weil er ihre

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