Brann 02 - Blaue Magie
jedenfalls keine der Art, die sie verspürt hatte, als die Natter Bak'hve sie angeglotzt hatte. Sie hatte Angst, gewiß, aber Beunruhigung empfand sie nicht. Mit der Zunge leckte sie sich über die trockenen Lippen. »Weshalb hast du mich auf so 'ne Weise zu dir geholt?«
»Weil ich dir das Leben im Yron nicht schwerer machen möchte, als es ohnehin für dich ist.«
»Ich weiß nicht, was ...«
»Kind, mmmm ... Wie ist dein Name?« »Du kennst ihn nicht?«
»Würde ich sonst fragen?«
Seine tiefe Stimme hallte in Koris Ohren wie Gesang, sie fand ihren Klang richtig aufregend; sie vergaß das Fürchten, hob den Kopf. »Kori«, gab sie Auskunft. »Kori Piyolss.«
»Kori.« Ihr Name tönte wie Musik, wenn er ihn aussprach; sie fühlte sich verwirrt, jedoch nach wie vor keineswegs beunruhigt. »Tja, kleine Kori, dir gefiele ganz gewiß nicht, was du erleben würdest, wenn irgendwer merkte, daß ich an dir besonderes Interesse hege. Bestimmt hast du keinen Begriff davon, welchen Mühen sich Leute unterziehen, um sich bei mir Gehör zu verschaffen, und das sage ich nicht aus Eitelkeit, Kind, so ist es nun einmal, wenn man im Besitz von Macht ist... oder man jemandem nahesteht, der Macht hat. Du bist eine Kämpferin, Kori, o ja, das ist mir klar. Ich habe dich dabei beobachtet, wie du gegen mich Ränke geschmiedet und gewisse Pläne verfolgt hast, doch leider entdeckte ich zu spät, wer du bist, um dir rechtzeitig in den Arm fallen zu können. Ach, stünden die Dinge anders, hätte ich eine Tochter oder einen Sohn und wäre sie oder er wie du, ich würde vor Stolz schwellen, bis ich platzte. Warum all das, Kori? Was habe ich dir angetan? Nein, ich gedenke nicht, jetzt auf einer Antwort zu bestehen. Aber ich werde es erfahren, das glaube mir.« Trotzig musterte Kori ihn, verzog den Mund zu einem herben Lächeln, das sagte: Onein. Er lachte auf. »Kori, Kori, bleib getrost gelassen, Kind, heute nacht werde ich mich nicht mehr damit befassen. Ich habe anderes im Sinn. Weißt du, du hast recht mit deiner Vermutung, ich habe beim Losen gepfuscht, ich wollte, daß du aus dem Owlyner Tal fortkommst, Kind, ich will, daß du hier bist, wo du mir keinen Ärger verursachen kannst. Es ist besser für dich, jeden Gedanken an eine Rückkehr dorthin gänzlich aufzugeben. Denke lieber darüber nach, was du mit deinem Leben anfangen möchtest.«
Sie blinzelte ihn an. »Was meinst du damit?«
»Ich werde dir nicht gestatten, zu lehren, Kori, sicherlich ist der Grund dir begreiflich. Und eine Tempelhure magst du ja wohl auch nicht werden, oder?« Kori schluckte und faßte sich an die Kehle; sie mußte sich regelrecht dazu zwingen, die Hand zu senken. »Das ist keine Drohung, Kind. Aber wir müssen nun einmal irgendeine Tätigkeit für dich finden. Du bist ein sehr begabtes Mädchen, ist dir das eigentlich klar?«
»Äh ... begabt?«
»Ach, warum bist du nicht als Knabe geboren worden, Kori, es wäre alles so viel einfacher.«
»Ich will aber kein Knabe sein.« Allzu starker Nachdruck lag nicht auf dieser Entgegnung; nach der Aussprache mit Polatea war so etwas schwerlich möglich. Kori rümpfte die Nase und zog die Schultern hoch. Es bereitete ihr ein seltsames Gefühl, so mit diesem Mann zu reden, sie empfand die Freiheit, Äußerungen zu tun, wie sie sie keinem anderen Menschen gegenüber von sich gegeben hätte, nicht einmal Tre; sie hatte das Empfinden, daß Settsimaksimin jemand war, der sie verstand, insgesamt verstand, nicht nur in Teilen, und der sonderbarerweise sogar eine beifällige Haltung zu ihr einnahm, zu ihr als ganzem Menschen. Er war der erste Erwachsene, dem sie so eine Einstellung anmerkte; nein, an sich war Polatea die erste Person gewesen, aber Polatea wollte sie einsperren, wogegen er — falls es ihm mit dem, was er redete, ernst war — ihr ein vielfältigeres Leben, in dem sie Neues und Herrliches kennenlernen durfte, zu erschließen gedachte. O je, wie schwierig alles war, sie mußte ihn ja hassen für das, was er getan hatte, noch tun würde, sobald er von Tre erfuhr, und murkste er nicht längst in ihrem Kopf herum? Sie wußte es nicht, woher sollte sie es wissen? »Ich will eigentlich gar nichts anderes als ein Mädchen sein«, sagte sie, »ich bin eben ein Mädchen, das ist ein Teil von dem, was ich bin, ich gefalle mir, wie ich bin, ich möchte mich nicht verwandeln, ich wollte lieber so frei sein, daß ich als Mädchen einige von den Sachen tun darf, wie sie Knaben tun.«
Sie schabte sich über die
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