Brann 02 - Blaue Magie
Vorhaben, Kori. Als wollte ich Quecksilber in die Hand nehmen, so war's; sobald ich sie mir zu packen versuchte, schlüpften sie mir durch die Finger, ich vermochte ihnen nichts anzuhaben. Ich hatte den Strohmann gestürzt, dessen Vorhandensein den ganzen morschen Staat zusammenhielt, das hatte ich erreicht, Kori, mehr nicht — den Strohmann! Jenen üblen Halunken von König und verderbten alten Trottel. Eine Gliederpuppe war er, die sie in den Vordergrund stellten, bloß eine Art von Einrichtung, dank der sie's vermieden, einer über den andern herzufallen. Irgendwie mußte ich die Stadt auskehren, Hand an die verborgenen Mächte legen, wollte ich die Zustände ändern, das Dasein für die anständigen Menschen erträglich machen. Ich schuftete bei Tag und Nacht, Kori, nur zwei Stunden schlief ich, höchstens drei, ich glaube, ich schaute jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind innerhalb der brüchigen Mauern dieses Pfuhls von einer Stadt, der sie damals war, ins Gesicht. Dadurch spürte ich kleine Gauner auf, ich hob sie aus, sandte sie in die Steinbrüche, damit sie Granit zum Neubau der Mauern schlugen. Die Wölfe entgingen mir, abgesehen von ein paar besonders dummen Hundsföttern. Jedes Parika in der Ebene war eine Festung, die man vor mir verschloß, und im Schutze ihrer Wälle heckten die Parastes gegen mich Anschläge aus, trieben Schurkereien, sobald sie irgendeine Aussicht sahen, mir Schaden zuzufügen. Fünf Jahre lang hielt ich durch, Kori, ich kehrte Silagamatys aus, jawohl, und ich erzwang den Bau der Mauern. Doch außerhalb dieser Mauern ertrank Cheonea schier im Blut. Die Wölfe griffen sich gegenseitig an. Ich glaube, bis in die Fünffingertäler hat sich damals das Chaos nicht ausgebreitet, aber auch dort waren die Zeiten gewiß nicht angenehm. In den Hügeln hausten verzweifelte Menschen, die stahlen, was sie zum Überleben benötigten, und zerstörten, was sie nicht gebrauchen konnten, um den Ingrimm in ihren Herzen zu beschwichtigen. Ich hätte auch die Ebene auskehren können, Kori, so wie ich die Stadt ausgekehrt hatte, und wenn es mir möglich gewesen wäre, hundert Jahre darauf zu verwenden, und wenn ich noch die Kräfte eines jungen Mannes gehabt hätte ... doch ich war nicht mehr jung, Kori, ich stieß an meine Grenzen. Aber ich hatte das hier.« Er klaubte den Talisman aus dem schlichten, weißen Leinengewand, das er trug, und seine Hand streichelte den Stein. »Es zu benutzen, hat seinen Preis, von dem ich jedoch nicht reden mag, das ist meine Angelegenheit, Kind, ausschließlich meine Sache. Ich mochte den Talisman nicht benutzen, o nein, aber ich prüfte mein Gewissen, ich sah die Ebene, und dann rief ich Amortis. Ich versicherte mich ihres Beistands, weil es sein mußte, Kori. Zum höheren Wohl. Ja gewiß, ich weiß, auch zu meinem Wohl. Entweder mußte ich von meinem Traum ablassen, oder er und ich würden gleichermaßen zur Verderbtheit verkommen. Nun verstehst du, was ich getan habe, und warum ich's tat. Ich versprach ihr Cheonea, Kori, zu einigem konnte ich sie durch Drängen bewegen, doch um alle Wünsche von ihr erfüllt zu erhalten, mußte ich ihr einen Anreiz geben, mir zu helfen. Diesen Anreiz stellte Cheonea dar. Den Fingertälern blieb ich fern, solang ich's konnte, Kori, ich habe mit ihr darüber geredet, sie bedrängt, eine Zeitlang war ich sogar ihr Liebhaber.« Er verzog den Mund zu einem schiefen, traurigen Lächeln. »Leider kein sonderlich befriedigender Liebhaber, und so kann ich mir nun nicht das Verdienst anrechnen, euch vor Amortis' Gier bewahrt zu haben. Die Runen, in denen ich las, die Knochen, die ich warf, und auch die Gestirne in ihren Bahnen, sie alle sagten mir, mich in die Fingertäler zu wagen, würde mein Unheil sein.« Er stieß einen gedehnten, matten Seufzer aus. »Ich bin müde, Kind, aber ich werde kämpfen, bis ich sterbe. Cheonea wird ein heiles Land sein, und man wird darin gut leben können. Wenn mir noch ein paar Jahre bleiben, nur einige Jahre, dann wird das, was ich aufgebaut habe, ausreichend gefestigt sein, und man wird mich nicht länger brauchen. Ich gedenke nicht zuzulassen, daß du das Werk so vieler Jahre gefährdest, Kori. Ich werde verhindern, daß dir irgend etwas geschieht, Kori, doch wenn's sein muß, werde ich dich töten, verstehst du mich?«
»Ja.«
»Willst du mir erzählen, was du getan hast, und die Gründe nennen?«
»Nein.«
»Ist dir klar, was du da sagst?«
»Ja.«
»Also herrscht zwischen uns
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