Brann 02 - Blaue Magie
Segen«, sagte er. »Nach einem Schluck sieht die Welt schöner aus.«
Sie schenkte ihm ein Lächeln und nahm den Weinschlauch. Tungjiis Geschenk tat seine magische Wirkung; Branns Wangen röteten sich, neue Wärme glänzte ihr aus den Augen, ihre Bewegungen wurden lebhafter. Sie berührte Ahzurdans Arm. »Tungjiis Segen, Dan.«
Langsam, wie mit steifem Hals, drehte er den Kopf, seine stumpfen Augen blinzelten sie an. Die Folgen des Gottfeuers standen ihm gleichsam im Gesicht geschrieben, stärker noch als seine vollständige körperliche und seelische Zerschlagenheit. Er packte den Weinschlauch, besah ihn sich einen Augenblick lang, ehe er ihn hob und sich zittrig einen Weinstrahl in den Mund spritzte und dabei mehr verschüttete, als er trank. Daniel machte Anstalten ihm behilflich zu sein, aber Brann hielt die Hand fest, die er ausstreckte, und hinderte ihn daran. »Nein«, sagte sie. »Weder du ... noch ich.«
Ahzurdan senkte den Weinschlauch, betastete sich Hals und Mund, versuchte den verschütteten Wein wegzuwischen. Er sah fast wie ein benommener Faustkämpfer aus, dem das Denkvermögen und die Fähigkeit zu zielgerichteten Handlungen ausgeprügelt worden waren. Brann nahm ihm den Weinschlauch aus den Händen und gab ihn Daniel zurück. »Entferne dich für eine Weile, ja? Ich werde mich seiner annehmen.«
Daniel Akamarino zuckte die Achseln und hockte sich in einigem Abstand auf die Reling. Er beobachtete, wie Brann eine Schulter unter Ahzurdans Arm schob und ihm beim Aufstehen half. Den Arm um ihn geschlungen, stützte sie ihn, während er sich übers Deck schleppte und die Leiter hinabkletterte, die in die überfüllten Kajüten führte. Bevor sie vollends nach unten entschwand, wandte sie noch einmal den Kopf. »Wenn dir dein Leben lieb ist, weck uns nicht vor der Mittagsstunde.«
Mit einem Finger schnippte Daniel gegen den Stöpsel, der am Weinschlauch baumelte. »Weiber«, sagte er.
Lio Laux lehnte sich neben ihm an die Reling. »Hm-hmm.« Zwischen Daumen und Zeigefinger rieb er ein Brandloch in seiner Bluse, löste dadurch verbrannte Fasern heraus; die Augen zu schmalen, geschwungenen Schlitzen verkniffen, schaute er hinauf zu den Segeln, die da und dort zwar durchlöchert waren, aber dennoch vom Wind hinlänglich prall gefüllt, dann blickte er sich auf Deck um. »Erwartet ihr noch mehr solche Vorkommnisse?« Er legte den Daumen gegen den Mittelfinger und deutete mit dem Zeigefinger auf einen der verkohlten Brandflecke im Holz.
»Was mich betrifft, so erwarte ich gar nichts. Das alles paßt mir absolut nicht.« Daniel reichte den Weinschlauch Lio. »Du solltest davon was auf deine Verbrennungen gießen.« Er streckte den Arm aus und zeigte auf die Stelle, wo sich die verbrannte Haut gelöst hatte. »Anscheinend wirkt der Wein äußerlich gleich so gut wie innerlich.«
»Hmm. Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich ihn lieber erst innerlich anwenden.«
Der Rest der Überfahrt verlief ohne Zwischenfälle. Am folgenden Morgen, zwei Stunden vor Anbruch der morgendlichen Dämmerung, setzte Lio Laux die Seelentrinkerin und ihre Begleiter auf dem schwarzen Sand der Havener Bucht ab, gab Brann das ihm als Sicherheit überlassene Gold zurück und segelte auf Nimmerwiedersehn davon.
11. Maksim und Kori. Ein Zwischenspiel.
SZENE: Maksims Gemächer hoch über der Stadt.
»Nimm Platz. Ich freß dich nicht.«
Verstohlen warf Kori ihm einen Blick zu, dann schaute sie hastig weg. Jeder sprach darüber, wie groß Settsimaksimin war, und sie hatte selbst während des Losens gesehen, wie er die Amortisdiener und Schüler überragte, aber da hatte er sich in gehörigem Abstand von ihr befunden, deshalb war ihr nicht klar geworden, wie sehr seine Körpergröße einschüchterte, sobald er nur eine Armlänge entfernt stand, auch wenn es sich um eine seiner Armlängen handelte. Die Augen zu Boden gerichtet, tappte sie zu einer gepolsterten Sitzbank an einem der hohen, in Spitzbogen eingefügten Fenster. Sie faltete die Hände im Schoß, froh über die Rauheit des Nachthemds, das man ihr im Yron ausgehändigt hatte. Dadurch fühlte sie sich darin nicht so nackt. Heimlich widmete Kori ihm einen zweiten Blick. Er lächelte, seine Augen zeugten von Herzlichkeit und — es verdutzte sie, doch leugnen konnte sie es nicht — Sanftmut, ja Wohlwollen. Sie fragte sich, ob sie sich deswegen, was er mit ihr vorhaben mochte, nicht Sorgen machen müßte, doch irgendwie rief er bei ihr keine Besorgnis hervor,
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