Brann 02 - Blaue Magie
Junge! Jedenfalls hält sie uns diesen Settsidingsda vom Hals. Sie kennt Brann, anscheinend ist sie ihr irgendwie sympathisch. Hmm. Wahrscheinlich verbirgt sich dahinter eine alte Geschichte — ob ich sie jemals zu hören kriegen werde? Puuuh ...! Wie lange werden wir noch reiten müssen ? Ich habe fast gar keine Haut mehr an den Beinen.
Ahzurdan biß die Zähne zusammen und versuchte zu schlucken; sein Magen lastete ihm wie ein schwerer Klumpen im Leib, und zudem rumorte es darin, der Wein hatte zwar in einigem Umfang belebend und kräftigend gewirkt, aber nunmehr hatte es den Anschein, als müßte er ihm in den Schlund heraufbrodeln und ihn ersticken. Er fühlte sich benommen und innerlich leer, war zornig. Die Rote Slya hatte sie gerettet, ihm Schmerzen und Anstrengungen erspart, vermutlich sogar das endgültige Scheitern, und dennoch zürnte er ihr, weil sie ihm etwas genommen hatte, dessen Vorhandensein ihm nicht bewußt geworden war, bevor es verflog. Denn trotz der Quälerei, die damit verbunden war, hatte es ihm eine tiefe und — jawohl! — unentbehrliche Befriedigung bereitet, sich mit Settsimaksimin zu messen. Seinen Körper hatte er Maksims Einflußbereich entzogen, aber die Male auszulöschen, die sein Lehrmeister auf seiner Seele hinterlassen hatte, war ihm nie gelungen. Ehe sich Slya einmischte, war er furchterfüllt und erschöpft gewesen, hatte einem neuen anstrengenden Ringen mit Grausen entgegengesehen, doch tief, tief in seinem Inneren hatte sich etwas zusammengeballt, das ihn nach und nach auf eine nochmalige Auseinandersetzung vorbereitete, darauf gefaßt machte, und dies Etwas war zerstoben, als Slya eingriff. Seither fühlte er sich ... unvollständig. Ihm kam ein Gedanke. Fast hätte er darüber gelacht. Das Gefühl war das gleiche wie bei all den vielen Malen — zu vielen, als daß die Erinnerung daran hätte leichtfallen können —, als er sich vergeblich mit jemandem, ganz gleichgültig wem, der körperlichen Liebe hinzugeben versucht hatte; der ganze Aufwand war stets zwecklos gewesen, sein Ich hatte gewollt, sein Körper hatte gewollt, doch die Wollust war verschwommen geblieben, zwar unmöglich zu mißachten, doch ebenso unmöglich zu befriedigen. Er rieb sich den Bauch, versuchte mit dem Wein, der ihm die Speiseröhre hochschäumte, und seinem wachsenden Unmut fertigzuwerden, die ihm beide solche Übelkeit verursachten, daß er lieber tot gewesen wäre.
Sie folgten Slyas flammenden Fersen an einem geräuschvollen, gischtigen Bergbach entlang in eine tiefe Gebirgsschlucht, in der das Rauschen des Gewässers zu einem ohrenbetäubenden Brausen anschwoll, so laut, daß das Getöse kein bloßer Lärm mehr war, sondern man es als Bedrängnis empfand. Am anderen Ende der Schlucht stürzte der Bach hundert Klafter tief eine Basaltklippe hinab und die letzten zehn Klafter des Bachs waren im Wirbeln von Wasserdunst unsichtbar.
Über den Dunstschleiern verharrte Slya, winkte mit zwei rechten Händen. »GEHT WEITER«, dröhnte ihre Stimme.
Brann zögerte, zügelte ihr Reittier. »Was soll aus den Maultieren werden, o Slya Feuerherz?«
Die Göttin blinzelte, ihr Mund erschlaffte, während sie über die Frage nachdachte; schließlich hob sie einen ihrer Riesenfüße und stubste die Flanke des Blaugrauen mit dem übergroßen Zeh an. Das Tier stand völlig starr da. Slya hob auf umständliche Weise die Schultern, ging nicht auf die
Frage ein. »FANG MIT IHNEN AN, WAS DU WILLST, KLEINES NICHTS. IMMER FINDEST DU EIN HAAR IN DER SUPPE. SUCHE DIR SELBER ANTWORTEN.« Sie verschwand.
Brann sprang aus dem Sattel. »Wir lassen die Maultiere und den Großteil des Gepäcks hier zurück, ich will mir deswegen keine Gedanken machen müssen, wenn wir dort sind.« Mit der Hand wedelte sie in die Richtung, wo die weißlichen, halb durchsichtigen Dunstschleier wallten und schillerten, einen Vorhang bildeten, der zweifellos teils aus Wasser bestand, aber mit Sicherheit teils auch aus irgend etwas anderem. Sie schickte sich an, die Sachen vom Blaugrauen zu laden. »Einer von euch schaue sich nach einem Winkel um, wo wir lagern können, was wir nicht mitnehmen.«
Mit Yaril und Jaril in ihrer Gestalt als Jugendliche zu ihren Seiten, rückte Brann die Schultern gerade und schritt in den Dunst. Einige Augenblicke lang war sie so voller Schrecken, daß sie nicht mehr atmen konnte, gleich darauf aber war es ihr wieder möglich. Sie stemmte sich vorwärts durch das, was sie umgab; sie konnte es sich nicht länger
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