Brann 02 - Blaue Magie
und was er mit den Dingen, die er dort entdecken würde, anfangen sollte.
Das Loch, durch das sie krochen, erweiterte sich plötzlich zu einer Höhle, die ausgedehnter war als der Dreschboden im Owlyner Tal. Kori hob die Laterne höher und starrte mit aufgerissenen Augen die funkelnde Pracht an. Überall hingen in anmutig geschwungenen Krümmungen Ketten, die oberen Enden an einer Decke so hoch droben befestigt, daß sie sich im Dunkeln außerhalb des Laternenscheins nicht erkennen ließen, mit den unteren Enden an den Felswänden. Ketten kreuzten und kreuzten sich in der Weite des Raums, eiserne Ketten, die die Schmied-Priester auf dem Amboß geschmiedet hatten und die teils schon vor so langer Zeit hier aufgehängt worden waren, daß alle außer die untersten Kettenglieder Tropfstein überzog, Ketten aus Holz, geschnitzt mit den Messern der Zimmermann-Priester, Ketten aus Kristall und gemasertem Marmor, gemeißelt mit den Werkzeugen der Steinmetz-Priester, Jahrhunderte der Arbeit waren der Höhle hingegeben, zu einem Teil ihres Innern gemacht worden. Die Kälte durchdrang alles, die Naßkälte kroch Kori in die Gliedmaßen, während sie noch den Anblick bestaunte; er war einfach zu schön und gebot Ehrfurcht.
Inmitten der Felshöhle ruhte auf Steinblöcken von etwa einem Fuß Höhe eine viereckige Platte aus poliertem Holz, überdacht mit einem von kunstvoll geschnitzten, hölzernen Pfosten gestützten Baldachin aus weißer Jade, dünn und durchscheinend wie feinstes Porzellan; mitten auf der Tafel stand eine Truhe aus Kedronholz, die keine Schnitzereien aufwies, denn ihre gediegene Gestaltung und der wundervolle Glanz des Holzes waren Schmuck genug. »Das ist sie wohl«, sagte Kori. Sie schauderte, als ihre Stimme die Stille brach; sie klang so ungewohnt leise, als wäre sie nur das Sirren einer Mücke, deshalb fühlte sich Kori auf einmal auch so winzig und wehrlos wie eine Mücke, als könnte im nächsten Augenblick eine Riesenhand zuschlagen und sie zerquetschen. Sie stellte die Laterne auf den Felsboden und wartete.
Trago sah sie an, sagte jedoch nichts. Nach kurzem Zögern schritt er vorsichtig über den unebenen Höhlenboden zu der Tafel und hüpfte hinauf. Weil sie sich über das angebrachte Verhalten im Ungewissen blieb, folgte Kori ihm nicht auf die Tafel; sie verharrte davor, lehnte sich an einen Eckpfosten, beobachtete ihn, wie er auf der Lippe kaute und mit gerunzelter Stirn das ausgeklügelte Muster der Einlegearbeit betrachtete. Er blickte über die Schulter zurück. »Meinst du, ich soll die Sandalen ausziehen?«
Kori spreizte die Hände. »Das weißt du besser als ich.«
Nichts geschah, also näherte Trago sich vorsichtig der Truhe. Er klappte den Deckel hoch, erstarrte, hielt die Luft an, verhielt sich reglos, so still wie ein Standbild, bewegungslos wie das Felsgestein ringsum. Kori keuchte, wollte zu ihm, aber irgend etwas, das so schlüpfrig war wie geöltes Glas, hielt sie zurück, ließ sie nicht auf die Tafel. Sie versuchte, sich an dem Hindernis festzukrallen und schrie. »Tre, was ist, Tre, sag was, Tre ...! Laß ihn, du ... du ... du ...«
Trago rührte sich, stieß einen gedämpften Schnauflaut aus, als räusperte er sich, und machte sich dadurch die Kehle frei. Kori schauderte, sie lehnte sich wieder an den Pfosten, faßte sich an den Hals, zwar beruhigt, aber der Zugang auf die Steintafel blieb ihr verwehrt. Trago kniete vor der Truhe und begann, ihr Gegenstände zu entnehmen, die er neben seinen Knien absetzte. Die Sachen waren nur verschwommen sichtbar, so daß Kori nicht erkennen konnte, um was es sich handelte, doch sah sie ihn einmal die Kristallkugel hochhalten; er brachte sie ihr, reichte sie ihr durch die unsichtbare Schranke; er benahm sich ernst, blieb stumm, das Hemmnis machte auch seine Gesichtszüge verwaschen, ein Anblick, bei dem es Kori grauste. Anscheinend bemerkte er ihr Unbehagen, denn er schenkte ihr ein undeutlich ersichtliches Lächeln, kehrte dann zur Truhe zurück, hängte sich allem Anschein nach etwas um den Hals (Kori hatte den Eindruck, es war eine Kette mit einem unkenntlichen, rundlichen Anhänger) und steckte etwas in seine Tasche (Kori bekam kurz den Eindruck, daß es eine schmale Klinge mit Ebenholzgriff war, in dem ein roter Kristall saß, und den noch flüchtigeren Eindruck von etwas, das er dahinter festhielt). Alle übrigen Dinge füllte er wieder in die Truhe und schloß den Deckel.
Schlagartig verschwand die Schranke. Kori trat zurück,
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