Brann 02 - Blaue Magie
wehte. »So«, sagte er und hob die Lautstärke seiner Stimme, um sich Koris Aufmerksamkeit zu sichern, »und wann wirst du mich in deinen großartigen Plan einweihen?«
Kori wurde ernst, kam zurück und ging an seiner Seite. »Drunten wollte ich dir nichts sagen, man weiß nie, wer lauscht und alles ausplaudert, was er hört, bei manchen Leuten kommt das, was sie zu Ohren kriegen, zum Mund wieder raus, ohne daß zwischendurch Zeit vergeht.«
»So?«
Indem sie in hastigem Geraune sprach, so leise, daß Trago sich nach vorn neigen und aufmerksam lauschen mußte, erzählte Kori ihm von Harras Geschenk und dem Nichttraum, den sie unter der großen Eiche gehabt hatte. »Das Owlyner Tal kann gegen Settsimaksimin nichts ausrichten, unsere Toten sind der Beweis. Auch der Angekettete Gott vermag ihn nicht zu bekämpfen, wenigstens nicht offen, sonst hätte er ja eingegriffen, als man Zilos verbrannt hat. Mag sein, daß er ihm auf diese oder jene heimliche Weise entgegenwirken kann, vielleicht hat er's getan, als er dich zu seinem Priester erkor und die Eichenelfe dazu bewog, mir den Traum zu bescheren. Weil ich der Ansicht bin, daß er dahintersteckt, glaube ich, es ist sein Wille, daß die Seelentrinkerin hergeholt wird. Ich glaube, er denkt, daß sie etwas unternehmen kann, um das Blatt zu wenden; was eigentlich, weiß ich natürlich nicht. Darum brauchte ich eine Möglichkeit, um aus dem Haus zu gelangen, sonst könnte ich nicht die Höhle aufsuchen, ohne so eine Aufregung zu verursachen, daß alles verdorben würde. Und ich dachte mir, es ist besser, wir sind zusammen, Tre, falls du nämlich keine Ahnung hast, wo die Höhle sein könnte, wird Zilos kommen und es dir mitteilen, so wie's die Eichenelfe bei mir getan hat. Sie sagte, die Höhle sei in der Schlucht, wo sich Simor und Harra kennenlernten, aber wer weiß, wo das ist? Nur der Priester, und das war Zilos. Er muß dir noch einmal erscheinen, so wie letzte Nacht. Vielleicht kommt er schon heute nacht. Die Seelentrinkerin kann überall sein, je früher wir ihr die Schaumünze senden, um so eher kann sie sich auf den Weg zu uns machen.«
Tre schniefte. »Falls sie's überhaupt will.«
»Es ist besser, als gar nichts zu tun.«
»Kann sein.« Einen Augenblick später griff er zu und faßte Koris Hand, ein Verhalten, das man sonst nicht von ihm kannte. »Ich fürchte mich, Kori.«
Sie drückte seine Hand und seufzte. »Ich auch, Tre.«
Das kleine Packpferd stapfte ihnen hinterher, schob sich dann, als sie ihre Schritte verlangsamten, zwischen sie. Beide schwiegen, während sie den Aufstieg fortsetzten, es gab nichts mehr zu sagen, alles war gesagt worden, und es trübte ihr Dasein wie Nebel.
Sie erreichten Hochweide kurz nach Mittag. Es war ein sonniger, beschaulicher Tag, gut erträglich im Schatten, im Sonnenschein dagegen heiß wie im Backofen. Die hochbeinigen, braunen Kühe lagen am Rande der Weide verstreut, wo immer sie gerade eine Andeutung von Schatten fanden, wedelten müßig mit den Schwänzen, malmten mit den Kiefern, als wären es stumpfe, weiche, leise Taktgeber, zuckten ab und zu mit den Ohren, um die schwarzen Fliegen zu verscheuchen, die der Sommer wie aus dem Nichts hervorbrachte, als wären sie die Sprößlinge von Sonne und Luft. Ein Bach floß durch die Weide, glitzerte in der Hitze, bis er unter den Bäumen in den Schatten strömte und sich zu einem schattigen Teich verbreiterte, in dem Veraddin und Poti planschten, ohne sich zu überanstrengen, ähnlich wie die Kühe die ärgste Tageswärme durchstanden, indem sie sich in möglichst geringem Umfang betätigten.
»Heeeedaaa, Vraaad!« Trago verzog das Gesicht, kniff die Augen zusammen, überschattete sie gegen die Helligkeit der Sonne mit seiner freien Hand; als die zwei Jugendlichen ebenfalls riefen, ihm zuwinkten, warf er das Zugseil des Pferdchens Kori zu und lief voraus. Kori seufzte und führte das Lastpferd die Steigung hinauf zum Blockhaus und der Meierei, die unter den Bäumen standen, teilweise in den Berg getrieben. Daneben gab es einen Pferch — er war gegenwärtig leer —, einen Melkschuppen mit drei Wänden sowie einen Kanal, der Wasser vom Bach einer Zisterne oberhalb des Blockhauses zuführte und von dort aus einem Trog im Pferch. Als Tragos Ruf seine und Koris Ankunft ankündigte, trat aus der Meierei eine kräftige, stämmige Frau (die Witwe Chittar Piyoloss y Bacharz, die Meierin des Piyoloss-Klans) und blieb auf den Stufen stehen, in der Linken ein zerknülltes
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