Brann 02 - Blaue Magie
weg und laß mich's tun.«
Er huschte an der Wand entlang, wobei er von Brann größtmöglichen Abstand hielt. Nach einem kurzen Blick ins Freie schloß sie die Läden und achtete darauf, so wenig Geräusch zu verursachen, wie es sich machen ließ; sie zog den Riegel heran und steckte ihn behutsam in den Haken.
Das getan, lehnte sie sich rücklings an die Läden und musterte den Fremden.
Er stand an der Tür, versuchte sie zu öffnen. »Den Schlüssel.«
Brann raffte die Steppdecke um sich, die sich lockerte und ihr vom Körper rutschen wollte. »Auf dem Tischchen.« Sie wies mit dem Kinn in die Richtung des Betts. »Flüchte weiter, wenn du willst. Wahrscheinlich kannst du deine Verfolger abhängen. Oder du kannst hier abwarten, bis sie fort sind. Die Entscheidung liegt bei dir.«
»Wieso?« Die Stimme klang schwach, aber zornig und bedrohlich.
»Wieso nicht? Sagen wir mal, mir mißfallen Menschenjagden.«
Er senkte das Messer, lehnte sich gegen die Tür und überlegte; eine kleinwüchsige, drahtige Gestalt war er, bekleidet mit einer schwarzen Hose und einem schwarzen Wams, schwarzen Handschuhen und an den Füßen schwarzen Halbstiefeln, dazu trug er eine gestrickte Maske, die den ganzen Kopf umhüllte und nur die Augen freiließ. Das schwache Licht, das durch die diamantförmigen Gucklöcher in den Fensterläden hereinfiel, beleuchtete seine Augen, als er sich von der Tür Brann näherte. Er hatte helle Augen, blau oder haselnußbraun, dergleichen sah man selten in Jade-Halimm; einige Augenblicke lang starrte er sie an, betrachtete dann die schlafenden Kinder. »Wer bist du?«
»Habe ich das dich gefragt?«
»Sie atmen nicht.« Er deutete mit dem Messer auf die Kinder.
»Ebensowenig habe ich Bemerkungen über dich geäußert.«
Einen Augenblick lang zögerte er noch, dann zerrte er sich die Maske vom Kopf und grinste Brann an. »Die Seelentrinkerin«, stellte er fest, in der Stimme Gewißheit und Befriedigung. »Du hast meinen Großvater gekannt.« Er war ein Jüngling von gutem Aussehen, höchstens siebzehn bis achtzehn Jahre alt, hatte dichtes, glattes Haar, buschige Brauen, eine leicht platte Nase und einen breiten Mund mit schmalen Lippen, der anscheinend blitzartig den Ausdruck wechseln konnte. Ein Mischling. Er hatte den Wuchs eines Hina, eine Hinanase und schräge Mandelaugen wie ein Hina (doch wären sie bei einem echten Hina dunkelbraun gewesen), jedoch das dunkelblonde Haar, das manchmal zum Vorschein kam, wenn sich Hina mit Croaldhesern vermischten, während das Kinn und sein Mund zweifellos croaldhesische Züge hatten. Allerdings verwendete er die Sprache eines geborenen Halimmers; diese hurtigen Lautfolgen vermochte man sich nicht anzugewöhnen, wenn man nicht schon seine ersten Worte in Jalimmik gelispelt hatte. Er schob sich das Messer in den Ärmel und setzte sich auf die Bettkante. »Meiner Mutter Vater hieß Aitua-tea. Mag sein, du erinnerst dich seiner noch.« Er schwieg kurz, um ihr die Gelegenheit zu einer Anmerkung einzuräumen; als sie nichts sagte, redete er weiter. »Du bist in unserer Familie eine wahre Legende. Und sie sind's auch.« Mit einer Hand winkte er hinüber zu den zwei blonden Schöpfen.
»Hmm. Allem Anschein nach ist dies ein Monat alter Bekanntschaften.«
»Was?«
»Das kannst du nicht verstehen. Yaril, Jaril, wacht auf.« Unter den Decken entstanden Regungen, die beiden Kinder setzten sich verschlafen auf und blinzelten. »Es ist alles klar, dieser Jüngling weiß über euch Bescheid.« Sie wandte sich wieder an ihn. »Wie ernst war's ihnen ... diesen Leuten, die dich verfolgt haben?«
Er kratzte sich am Kinn. »Ich bin noch hier, nicht auf der Flucht in mein nächsterreichbares Versteck. Die Büttel kennen alle Verstecke, die ich kenne, sie werden sie alle durchsuchen, sie wollen mein Blut. Und nicht allein sie.« Er dachte flüchtig nach, entschied dann offenbar jedoch, bezüglich seines Treibens keine Scheu zu zeigen. »Hoflieferant Jizo Gozit ... sein Haus war's, in das ich eingestiegen bin, er ist 'n rachsüchtiger Mensch, überall hat er Arme, mehr als eine Riesenkrake. Inzwischen dürften sich auch die Spitzel des Königs an der Fahndung beteiligen.«
»Verstehe. Also wird man binnen kurzem das ganze Haus durchsuchen. Du könntest dich unters Bett legen. Oder wir verstecken dich in ... Nein, ich hab 'nen besseren Einfall. Vielleicht ... Glaubst du, sie wissen, daß du's bist, den sie jagen?«
»Das bezweifle ich. Für gewöhnlich halte ich mich jenem
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