Brann 02 - Blaue Magie
Stirn. Er erkannte, auch, daß das Kristallei sich nicht in der Kammer befand. (Y aril hatte es in Gewahrsam, sie saß als Falke auf dem Dachfirst des Gasthofs, und das Kristallei war ihr in einem Beutel ans Bein gebunden; Brann hatte keine Ahnung, wie nahe ein Zauberer seinen Seelen sein mußte, um sie sich wieder aneignen zu können, darum hatte sie vorgebeugt.) »Du hast mich herbestellt«, sagte er; seine Stimme klang dunkel und voll, er besaß eine Stimme wie ein im lauten Vortrag und schmeichlerischen Säuseln gleichermaßen geschulter Schauspieler. »Du hast etwas für mich.«
»Ich hab's.« Brann betonte das Ich.
»Gib's mir.«
»Noch nicht.«
Eine unheimliche Kräfteballung durchpulste das Zimmer, wallte wie tausend Wogen gegen Brann. Sie behielt ihr Lächeln bei (obschon es ein wenig starr wurde) und ließ die Hände locker auf den Schenkeln ruhen (obgleich die Daumen ein paarmal zuckten); versuchsweise zapfte sie die Ballung an, machte sich dann daran, die Kräfte aufzusaugen, schlug in die geballte Gewalt eine Bresche, die der Zauberer nicht füllen konnte. Der junge Dieb entfernte sich von Brann, er hockte sich aufs Fensterbrett, ließ die Beine baumeln; er hielt sich für den Fall, daß Brann scheiterte, zu einem Sprung aus dem Fenster bereit. Die Jaril-Dogge stand auf — Muskeln bewegten sich kraftvoll an Muskeln — und tappte lautlos um den Außenrand des Kraftfelds, das den Mann beschützte. Für die Dauer einiger Atemzüge belauerte sie ihn, ihre Hundegestalt flackerte, sie schaute abwechselnd den Zauberer und Brann an (diese saß reglos da und nahm die gegen sie aufgebotenen Kräfte in sich auf, ehe sie ihr gefährlich zu werden vermochten) und schließlich festigte ihre Entscheidung sich wieder, sie spannte die Muskeln, und sobald sie bereit war, sprang sie dem Mann gegen die Beine, durchquerte unbeschadet das magische Schutzfeld, warf den Zauberer nieder, der wuchtig der Länge nach in einem schmerzhaften Sturz zu Boden ging.
Die Jaril-Dogge zog sich von ihm zurück, trottete zu Brann. Sie lachte, kraulte die Dogge zwischen den Ohren, sah zu, wie der Zauberer sich hochraffte und taumelnd aufrichtete. »Bist du jetzt geneigt, dich vernünftig mit mir zu unterhalten?«
Er klopfte sich die Ärmel ab, ohne Hast an den Tag zu legen; seine Selbstbeherrschung hatte nicht gelitten. »Was wünscht du?«
»Ich will etwas wissen.« Brann lächelte ihn an. »Komm, sei friedlich, ich verlange gar nicht viel. Nimm Platz, und dann wollen wir miteinander reden.«
Er schüttelte sein Gewand, so daß sich die vornehme Fältelung erneuerte, stellte den Stuhl hin, den er bei seinem Sturz umgekippt hatte, und setzte sich. »Wer bist du?«
»Die Seelentrinkerin.« Nochmals lächelte Brann. »Und auf welchen Namen hörst du?«
Nachdenklich schwieg der Zauberer zunächst. »Ahzurdan.« Der Blick seiner blauen Augen maß sie mit aller Gründlichkeit, heftete sich in ihr Gesicht, streifte die kurzen, leicht gekräuselten Haare auf ihrem Kopf, fiel erneut auf ihr Gesicht. »Die Seelentrinkerin«, wiederholte er. »Brann«, fügte er hinzu.
Brann runzelte die Stirn. »Du kennst mich?« Ahzurdan schaute den Jüngling an, der auf dem Fensterbrett hockte, und gab keine Antwort. »Entlaß ihn aus deinem Bann«, sagte Brann. »Zu diesem Zweck ist er da.«
Unvermittelt zum Einlenken bereit, nickte der Zauberer. »Isoatua, unsere Abmachung ist hinfällig.« Er wölbte die Brauen. »Geh und komm mir nicht mehr unter die Augen.«
Tua schnitt eine verdrossene Miene und zeigte ihm die kalte Schulter. »Fenna meh?«
»Einen Augenblick noch. Jaril?«
Die Dogge erhob sich, gähnte, verwandelte sich in eine Lichtkugel von fahler Helligkeit. Sie schwebte aufwärts, sauste durch Ahzurdan hindurch, ehe der Zauberer es irgendwie verhindern oder sich dagegen wehren konnte, und kehrte zu Brann zurück; dann nahm Jaril seine Knabengestalt an.
»Er meint's ernst«, sagte er.
»Da hörst du's, Tua. Das nächste Mal sei ein bißchen achtsamer, was deine ... äh ... Kunden angeht.«
Tua machte Anstalten zu einer Entgegnung, verzichtete dann aber darauf. Ohne Ahzurdan zu beachten, verbeugte er sich vor Brann und strebte zur Tür. Mit einer anmutigen Drehung des Handgelenks schloß er sie auf. Als er draußen war, drehte Jaril den Schlüssel noch mal um und steckte den Kopf durch die Wand. Gleich darauf schlenderte er herüber zu Brann. »Er ist fort.«
»Danke. Ahzurdan ...«
»Ja?«
»Wieso kennst du mich?«
»Mein Großvater
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