Brann 03 - Das Sammeln der Steine
halb gewonnen!
Maksim feixte in die Finsternis, malte sich Branns spöttisches, wahrscheinlich wortloses Eingehen auf seine Gemeinplätze aus.
Er verschnaufte eine Zeitlang, beschäftigte sich in Gedanken mit den Dämonen, die ihn entführt hatten.
Inzwischen arbeitete sein Verstand wieder ziemlich reibungslos, und er begann neuen Durst zu spüren.
Sie hätten sich denken können, daß es so kommen mußte. Sie hätten ihn wachsamer beobachten sollen. Doch inzwischen sparten sie sich die Mühe seiner Überwachung.
Maksim lächelte, bleckte wüst die Zähne, wie ein Raubtier, sein Lächeln wäre ihnen womöglich eine Warnung gewesen, hätten sie auf ihn geachtet; aber sie verzichteten darauf.
Matsch. Sie hatten Matsch im Kopf. Den Matsch des Machtwahns. Verblendet vertrauten sie ganz auf ihre Macht.
Allem Anschein nach verstanden sie sich nicht vorzustellen, wie einfallsreich jemand in der Not sein konnte, auch wenn er ihnen an Machtfülle nachstand. Vielleicht unterstellten sie, daß es nochmals dreißig Tage dauerte, bis ihm mit den Zauberfesseln ein zweites Mal gelang, was er schon einmal geschafft hatte. Oder vielleicht erwarteten sie am Ziel einzutreffen, ehe er die Gelegenheit zu einem zweiten Befreiungsversuch erhielt: In Dil Jorpashil.
In Dil Jorpashil war die Gehörnte Schlange Sarimbara die oberste Gottheit.
Maksim erwog die Möglichkeit, die Gottheit zu wecken. Sarimbara wäre keinesfalls darüber erfreut, auf ihrem Gebiet fremde Götter und deren Dämonen ihre Machenschaften treiben zu sehen.
Sarimbara war eine faule Gottheit, bisweilen verschlief sie Jahrzehnte, verschmolz mit der Erde unter Jorpashil, den Schlangenleib zu verwickelten Knoten verwunden; die Jana Sarise kannten Hunderte von Einschläferungsriten, denn Sarimbara war auch eine Gottheit mit entweder einem Sinn für kindische Spaße, oder sie zeichnete sich durch ausgeprägt feinsinnige Bosheit aus, wie man es auslegte, hing davon ab, mit wem sie was anstellte. Der Schlangengott achtete äußerst eifersüchtig auf seine Vorrechte. All jene, die zu vermessen oder zu stolz wurden, stieß er mit der Nase in den Dreck. Ein Groß-Isu, der höchste aller Isun, mochte eines Morgens als Lumpenhändler erwachen, während sich ein Bettler an seiner Stelle befand, köstliche Speisen von seinem kostbaren Porzellan aß, seine bestickten Gewänder trug, sich mit seinen Konkubinen vergnügte. So etwas war schon mehr als einmal vorgekommen. Wenn Sarimbara erwachte, konnte alles geschehen.
Das Schiff verlangsamte die Geschwindigkeit, schwamm mal näher am einen, mal näher am anderen Flußufer entlang, so wie die Fahrrinne es gerade gestattete.
In beiden Richtungen verkehrten andere Schiffe und Boote auf dem Fluß. Manchmal mußte der Schiffsherr den Segler so weit in Ufernähe steuern, wie es nur ging, ohne auf Grund zu laufen, um zu warten und aneinander vertäute Schleppkähne vorüberschippern zu lassen.
Während dieser stilleren Zeitspannen hörte Maksim das Geblöke der hochbeinigen Schafe, wie die Temuengstämme der Steppen sie züchteten, das Johlen der Treiber, die Teile der Herden nach Jorpashil auf den Markt brachten. Ab und zu hörte er auch das lauthalse Prahlen junger Clan-Mitglieder, die unterwegs waren zu einem der Flußdörfer, um dies oder das zu feiern, sich zu betrinken, ihr Geld zu verschleudern, sich mit den Einheimischen zu prügeln, und allzu oft endeten derartige Ausflüge mit ihrer Einkerkerung oder gar dem Tod.
Im Laufe der Zeit ertönten die Geräusche aus der grasigen Steppe lauter und verworrener, der Verkehr auf dem Fluß verlief dichter und langsamer. Das Schiff näherte sich dem See mit dem Namen Pikma ka Vyamm.
Maksims Hände zitterten. Er unterdrückte die Anwandlungen von Panik, die ihn ereilten, bemühte sich fortgesetzt zäh und beharrlich ums Lösen der Bande, die ihn hilflos machten.
Wie Schwaden einer mannshohen Nebelbank schwebte ein Ring aus Überbleibseln von Geistern vor den Stadtmauern Dil Jorpashils. Das Schiff durchquerte den Abschnitt, der sich über den Fluß erstreckte, und das warnte Maksim, daß ihm kaum noch eine Galgenfrist blieb.
Lautlos zog der Seelendunst durch die Ritzen in die Kiste, umwirbelte Maksim, wehte langsam wieder hinaus; wie in den meisten großen Städten belegte man die Toten auch hier mit einem Schweigebann, und mehr als verschwommene Trauer und verstreutes Knistern von Grimm spürte Maksim von ihnen nicht.
Er biß die Zähne zusammen und wirkte unentwegt weiter auf die
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