Brann 03 - Das Sammeln der Steine
sicher, mich dir vom Leibe halten zu können. Ich bin viel schwerer als du und viel stärker. Unter gewöhnlichen Umständen wäre ich, wollte ich's, dazu imstande, dich im Handumdrehen in Stücke zu reißen. Oder dir diese hirnrissigen Kleider herunterzufetzen, dich niederzuwerfen und eine beliebte Mannestat zu vollbringen. Ich sehe nichts an dir, was mich daran hindern könnte, und doch siehst du mich an, als wäre ich von uns beiden der Narr.«
»Das ist dein, nicht mein Wort.«
»Wie mir auffällt, läßt deine Schüchternheit nach. Silili?«
Auch über diese Frage dachte Kori nach; schließlich hob sie die Schultern. »Warum solltest du's nicht wissen dürfen? Ja.«
»Welche Schule?«
»Ist das von Belang?«
»Ich frage aus Neugier. Ich möcht's eben gern wissen.«
»Waymeri Manawha. Oberhaupt ist Shahntien Shere.«
»Und wer war dein Förderer?«
»Woher weißt du über solche Angelegenheiten Bescheid?«
»Ich habe 'n Sohn mit magischer Begabung.«
»Ach. Besucht er die Schule?«
»Er wird im nächsten Frühjahr anfangen. Der Magus Bar im Saraja hat sich einverstanden erklärt, sein Förderer zu sein. Für ein Entgelt, mit dem man geradesogut einen Kaiser hätte kaufen können, doch erweise mir die Gefälligkeit, diese Äußerung nicht zu wiederholen. Und deiner?«
»Weshalb sollte ich's dir verraten?«
»Warum nicht?«
»Ja, warum nicht? Der Zauberer Settsimaksimin.«
»Einer der vier Obersten, hä? Ich bin beeindruckt.«
»Ich seh's.«
»Ich bin's wirklich.« Karoumang entfernte sich von der Reling, verbeugte sich aus der Hüfte, die mit den Handflächen aneinandergelegten Hände vor die Nase gehoben. Er richtete sich auf, lachte. »Es ist nicht gelogen.«
»Ist deine Neugierde nun befriedigt?«
»Du hast sie erst recht angestachelt.« Karoumang musterte sie, die Brauen gewölbt. »Mich beschäftigen Fragen, die ich nicht zu stellen gedenke. Woher du kommst, welche Geschichte du zu erzählen hast.« Einen Augenblick lang wartete er, um zu sehen, ob er sie zu Antworten verleiten konnte; als es dazu nicht kam, stützte er beide Arme auf die Reling, blickte voraus auf den Fluß, der sich vor dem Schiff als breites, leeres, ockerbraunes Band erstreckte; sonst herrschte kein Verkehr, nur die Miyachungay segelte im Wind flußaufwärts. »Wodurch du die Aufmerksamkeit eines Großen Zauberers erregt hast, was an dir bei ihm so starkes Interesse geweckt hat.« Über seine Schulter sah er sie an, zeigte Kori deutlich seine Anerkennung. Seltsam. Sie fühlte sich dabei wohl. Grundsätzlich war sein Blick von der gleichen Art der Blicke, wie Männer in Jade-Halimm sie ihr zugeworfen hatten, und vor ihnen hatte es sie gegraust. Derartigen Blicken ließ sich anmerken, daß sie in einer Frau nur Beute sahen. In Karoumangs länglichschmalen Augen, grün wie die Edelsteine seines Ohrschmucks, hatte so ein Blick irgendwie eine tiefere Bedeutung. Unmißverständlich behagte er Kori. »Was für einen Rang du heute hast«, sagte Karoumang leise, »und welchen du einnehmen wirst, wenn deine Machtfülle voll entfaltet ist. Was du bist.« Seine Finger trommelten auf die Reling, während er verschiedenerlei magische Gewerbe aufzählte. »Wirkerin, Wahrsagerin, Rutengängerin, Schamanin, Weise Frau, Totenbeschwörerin, Hexe, Wunderfrau, Magierin, Zauberin ... Habe ich alles aufgezählt? Wahrscheinlich nicht.« Wieder rutschten seine Brauen in die Höhe. Anscheinend hatte er Vergnügen an dem Spielchen, als träte er mit Kori in einem hinsichtlich seiner Rolle wortreichen Luststück auf; doch zuletzt schwand seine Heiterkeit. »Wohin du willst, und warum, wieso du gerade mit diesem Schiff fährst.« Er schaute weg, die für Menschen aus Panday eigentümlichen geschwungenen Mundwinkel strafften sich zu einem grimmigen Ausdruck. »Erweise mir noch eine Gefälligkeit, Saöri. Erspare meinem Schiff jeglichen Verdruß.«
»Meinetwegen ist kein Verdruß zu befürchten«, entgegnete Kori. »Ich bringe keinen Ärger mit und ziehe keinen an. Ich mache lediglich eine Reise. Das ist die Wahrheit, Schiffsherr Karoumang. Meine Reise hat ein Ziel, aber es liegt fern von hier und steht mit dir oder deinem Schiff in keinem Zusammenhang.« Sie legte ihre Hände neben seinen Fäusten auf die Reling; ihre Finger wirkten im Vergleich zum dunklen, kupfrigen Braun seiner Haut nahezu blutarm, fast als wäre sie schwindsüchtig; auch ihre Arme waren dünner als seine Gliedmaßen, sogar viel dünner, selbst in den Ärmeln der Steppjacke,
Weitere Kostenlose Bücher