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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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der Pritsche, Ailiki auf dem Schoß, sang ihr Schlummerliedchen vor, versuchte sich einzureden, daß die stickige Düsternis der Kammer ihr nichts ausmachte.
    Mit der Zeit jedoch schienen die Wände immer mehr zusammenzurücken; ihr begann in der Kabine wie in einem Sarg zumute zu werden.
    »Irgendwann muß ich's wagen, Aili mein Liki. Und du mußt hier bleiben, meine Lili. Gib auf meine Habseligkeiten acht, hmm?« Kori tippte gegen Ailikis Schwanzknochen. »Rück beiseite, mein Herzchen, ich muß meine Ausgehkleidung auspacken.«
    Sie hatte temuengische Reisekleider erworben, einen gesteppten Rock sowie eine weite Hose, deren Beine man über kniehohen Stiefeln an den Fußknöcheln zusammenband; außerdem gehörte ein Schleier dazu, den man sich über den Kopf zog, von dem er — vorn und hinten — in zwei breiten Stoffbahnen bis in Kniehöhe herabhing. Der Schleier hatte in Stickerei gefaßte Gucklöcher für die Augen und am Saum geknüpfte Fransen; er bestand aus schwerer Baumwolle in grauschwarz und war Kori vollauf zuwider. Beim Umkleiden stieß sie sich bei jeder Bewegung Ellbogen, Knie oder Gesäß an, stülpte sich als letztes den Schleier über. Sie hustete, ihr blieb darunter die Luft weg. Sie begriff, daß sie sich diesen Unsinn selber antat. Indem sie unter den Schleier langte, schob sie ihn sich aus dem Gesicht, tastete sich zur Tür und ging hinaus.
    Als sie aufs Deck klomm, packte sie sofort der Wind, riß ihr fast den Schleier vom Kopf, blies in den losen Stoff ihrer Hose wie in ein Segel. Geblendet und von mehr als nur gelinder Furcht geplagt, klammerte sie sich an den Türrahmen, versuchte die Kleidung zu ordnen. Hände faßten ihre Arme; eine große, starke Person hob sie von den Füßen, trug sie den Niedergang hinunter und stellte sie drunten ab.
    »Schmeiß den verdammten Schleier weg, Weib, er kann dir zur Todesfalle werden. Du bist keine Temueng, warum kleidest du dich so?«
    Korimenei zerrte sich den Schleier herunter und starrte den Fragesteller erbittert an. Er war ein Mann von beachtlichem Wuchs, allerdings weniger groß als breit, seine Augen befanden sich in einer Höhe mit Koris Augen. Seine
    Schultern hatten genug Breite für zwei Personen, die bloßen Arme wiesen dicke Muskeln auf, die Hände glichen Schaufeln; wie stark sie waren, hatte Kori soeben am eigenen Leib gespürt. Ein pandayischer Seemann. Sein Ohrgehänge besaß ein solches Gewicht, daß dafür drei Löcher ins Ohr hatten gestochen werden müssen; es umfaßte eirunde Scheiben aus gehämmertem Gold, verziert mit zu Perlenform geschnittenen Smaragden; es pendelte bei jeder Kopfbewegung, Licht funkelte auf den Smaragden, sie schienen Kori zuzuwinken. Er grinste sie an, in seinen grünen Augen glitzerte eine Belustigung, die Kori um so stärker verärgerte. »Für wen hältst du dich, und was schert's dich, was ich tu?«
    »Ich bin Karoumang, Schiffsherr und Eigner dieses Schiffs, und es verursacht mir in der Tat allerlei Scherereien, wenn ein Fahrgast über Bord geht, weil er zu dumm ist, um sich drüber im klaren zu sein, was er treibt.«
    »Oh.« Kori fuhr sich mit der Hand vom Haaransatz nach hinten in den Nacken, fühlte die Wirrheit und Verfilztheit ihres Haars; es war völlig ungepflegt. Sie mußte schauderhaft aussehen.
    »Komm, gib das Ding her.« Er nahm ihr den Schleier aus der Hand, hängte ihn an einen Lampenhaken. »Du kannst ihn später abholen. Willst du noch an Deck?« Die Hände aufs Haar gedrückt, nickte Kori. Gegenwärtig hielt sie es für am ratsamsten, nichts zu sagen. Der Schiffsherr folgte ihr die Stiege hinauf, faßte Kori am Ärmel, als der Wind sie erneut aus dem Gleichgewicht zu werfen drohte. »Schon mal auf 'm Flußboot gewesen?« Sie zögerte, schüttelte dann den Kopf. »Als erstes mußt du dir merken: Wenn wir fahren, weht Wind, weht kein Wind, liegen wir still.«
    Kori schnob, versuchte sich dem Zugriff zu entziehen. »Ich bin kein Kind.«
    Karoumang beachtete die Feststellung nicht, ließ auch seine Hand auf dem Rücken ihres Überrocks, schob sie sachte vorwärts, führte sie durch Reihen auf Deck gestapelter Ballen und Fässer, entweder mit Tauen befestigt, oder mit großen Netzen gesichert. »Zweitens: Der Wind befördert uns flußaufwärts. Fahren wir flußabwärts, schwimmen wir mit der Strömung gegen den Wind. So oder so, es weht immer Wind.« Er geleitete sie am Großmast vorüber, das Geräusch der Segel und das Summen scheinbar Hunderter von Tauen umtönte sie, es ähnelte der

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