Brann 03 - Das Sammeln der Steine
berücksichtigst.«
»Wer hat was von Amortis gesagt? Du willst doch nicht, daß ich nach Cheonea reise.«
»Und wer hat von Cheonea gesprochen? Ich rede von Havi Kudush. Dort steht ihr Tempel, dort ist ihr Grund und Boden, der Quell ihrer Macht. Dorthin ist sie geflohen, als Settsimaksimin stürzte. Inzwischen hat sie die Kräfte erneuert, die ihr die Seelentrinkerin raubte, doch sie hat die Schmach nicht vergessen.«
»Der Quell ihrer Macht, so-so. Du redest wie einer meiner Lehrer.«
»Wie Kushundallian bei seinen Erläuterungen der Grundlagen des Gottestums?«
»Genau. Hast du sie mitverfolgt?«
»Wie du weißt. Laß die Abschweifungen. Wenn du von Bandrabahr flußaufwärts fährst, mußt du ihr Reich durchqueren. Glaubst du, sie hätte dich vergessen, Kori? Meinst du, sie wüßte nicht, wer die Seelentrinkerin nach Cheonea geholt hat? Bildest du dir ein, du könntest dich an ihr vorbeischleichen? Na?«
»Nein, ich glaube nichts davon. Dein Standpunkt hat mich überzeugt. Was ich nicht verstehe, ist der Grund, aus dem du mich so tief in den Süden hast reisen lassen. Ich hätte nach Norden gehen können, nach Andurya Durat, dann wäre ich inzwischen weiter.«
»Durat? Fasele doch keinen Schwachsinn, Kori. Du würdest ein Jahr und ein kleines Vermögen brauchen, um eine Reiseerlaubnis für die Seidenstraße zu erhalten. Nein. Jade-Halimm ist der richtige Ausgangspunkt, wenn du den Landweg nimmst. Du fährst mit einem Flußboot den Wansheeri hinauf nach Kapi Yuntipek. Dort kaufst du, was du haben mußt, und reist auf der Landstraße nach Jorpashil. Um sich einer Karawane anzuschließen, ist's zu spät, du wirst allein reisen müssen. Du kannst's schaffen, Kori. Ich weiß, daß du's kannst.«
»Und wenn die Pässe nicht mehr überquerbar sind?«
»Sie sind's noch.«
»Woher weißt du das?«
»Vertrau mir: Ich weiß es. Ein Unwetter hat's bisher in den Bergen gegeben, drei bis vier Zoll Schnee sind gefallen, doch seitdem hat's nur geregnet, ein Großteil des Schnees ist fort. Dir steht noch ungefähr ein Monat zur Verfügung, ehe du mit ernsteren Schwierigkeiten durchs Wetter rechnen mußt.«
»Du bist also jetzt Kiykoyl tos Niak der Wetterkundige?«
»Was ich sehe, sehe ich.«
»So ist das, hä?«
»So ist es, jawohl.«
»Auf dem Berg hast du dich nicht blicken lassen. Ich hätte dich gebraucht, um mit dir reden zu können, Tre.« Er antwortete nicht, so wie er auf dem Berg keine Antwort gegeben hatte. Sie straffte sich. »Zeit zum Essen. Ich werde ein Mahl einnehmen und mich dann erkundigen, welche Flußschiffe im Hafen liegen und wann sie abfahren. Mit ein bißchen Glück kann ich morgen fort sein.«
2 Die Miyachungay legte eine Stunde nach Sonnenaufgang ab und fuhr flußaufwärts, ihre mit Latten verstärkten Segel klackten und ratterten im Wind, der morgens meistens vom Meer an die Küste gefegt kam, als ob ihn Drachen ans Land jagten. Nachdem sie ihre Münzen wiederholt gezählt hatte, rang sich Korimenei zu dem Entschluß durch, den Preis für eine eigene kleine Kabine zu entrichten; sie übertraf an Größe kaum einen Reisekoffer, hatte jedoch an der schmalen Tür einen Riegel, so daß sich Kori davon versprach, vergleichsweise behaglich und ungestört schlafen zu können. Als Kabinen-Fahrgast durfte sie die Mahlzeiten an der Tafel des Schiffsherrn einnehmen, was bedeutete, sie würde gut verpflegt werden, und da das Essen im Preis inbegriffen war, fühlte Kori sich mit dem Handel recht zufrieden.
Am ersten Morgen auf dem Schiff blieb sie so lang in der Kabine, wie sie es aushielt. Ihr war regelrecht bang, sie hatte keinerlei Ahnung, wie sich eine Reisende benahm, sie kannte keine Regeln, nicht einmal die verbreitetsten Sitten und Gebräuche. Settsimaksimin hatte sie damals von Cheona schnurstracks in die Schule zu Silili versetzt; und danach war sie überhaupt nicht gereist, Shahntien Shere behielt ihre Schülerinnen und Schüler unter unnachsichtiger Fuchtel. Aus den strengen Verhältnissen ihrer Heimat war Kori fast ohne Übergang in die straffe Zucht der Sililier Zauberschule geraten. Sie wollte lieber keine Fehler begehen. Während der kurzen Fahrt an Bord des Handelsschiffs hatte sie nichts dazugelernt, sie war ausschließlich in ihrer Kabine geblieben. Und jetzt war sie schlichtweg zu zaghaft, um die Nase ins Freie zu stecken. Es war einfach blödsinnig. Vernunftmäßig sah sie das vollkommen ein. Sie konnte sogar über sich lachen. Allerdings half es ihr nicht. Sie hockte auf
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