Brann 03 - Das Sammeln der Steine
Kleidung, dunkler färbte, sich dadurch in einen besseren Speicher von Sonnenkraft umwandelte, gleich darauf so rußig aussah wie dje schwarzen Seitenstreifen der Halarani. Jaril legte sich der Länge nach auf die Sitzbank, bettete den Kopf in Branns Schoß und schloß die Lider, schien einzuschlafen.
»Wir befanden uns in den Dhia Dautas«, raunte er nach einem Weilchen. »Leicht südöstlich Jorpashils. Genau westlich Kapi Yuntipeks. Dhia Dautas heißt in den Sarosj- Landstrichen >Töchter der Morgenröte<. Die Bergbewohner nennen sie Taongashan Hegysh, sie wohnen dort, deshalb könnte man meinen, die Reisenden verwendeten ihre Bezeichnung für die Berge, aber so ist's nicht, die Benutzer der Seidenstraße nennen sie immer Dhia Dautas.« Jaril sprach auf schleppende Weise. Brann ahnte, daß er es aufschob, ausführlicher über das Erlebnis in den Höhlen zu erzählen. Sie spürte, wie seine innere Anspannung wuchs, sie merkte es an seinen inwendigen Schwingungen. »Zuerst waren wir in Jorpashil, sechs Tage lang, und dort hatten wir von den Höhlen erfahren. Durch Dichter auf dem Markt. Betrunkene in einer Taverne. Ich glaube, wir hörten an jedem Tag unseres Aufenthalts mindestens eine Geschichte über die Höhlen. Soll ich sie alle wiederholen?«
»Später, Jay. Möglicherweise sind sie von Bedeutung.«
»Den Eindruck habe auch ich. Wie hätte jener, der uns dort auflauerte, uns eine Falle stellen können, hätte er nicht sicher sein dürfen, daß wir am rechten Ort aufkreuzen? Natürlich dachten wir nicht im entferntesten an irgendwelche Fallen, wir schwangen uns in die Lüfte und begaben uns auf die Suche nach den Höhlen ...« Seine Stimme murmelte unablässig weiter. Im Laufe des Nachmittags unterhielten die beiden sich lange, bis keinem von ihnen noch eine Frage einfiel, die hätte beantwortet werden müssen. Danach saßen sie nur noch still im verwaschenen Sonnenschein, während der Schatten des Gasthofs langsam auf sie zukroch.
5 Brann stand am offenen Fenster der Schlafkammer, hatte neben sich auf dem Fensterbrett eine Kanne Tee. Weit drunten in der Bucht leuchteten die Segel der im Ein- und Auslaufen begriffenen Schiffe blutrot oder wie Gold, doch plötzlich, als das kurze Zwielicht endete, wie es in den heißen Weltgegenden in der Abenddämmerung herrschte, nahmen sie eine dunkle Färbung an. Abend, dachte Brann. Sie betrachtete ihre Hände: Hände einer Müßiggängerin. In den vergangenen zehn Jahren hatten sie ihre Kraft verloren. Müßte ich morgen einen Brennofen anheizen, ich bräche zusammen, ehe ich halb mit dem Holzhacken fertig wäre. Sie füllte den lauwarmen Rest des Tees in ihren Becher, so stark, als könnte ein Löffel darin stecken und trank davon, beobachtete das Aufleuchten der Laternen und Fackeln längs der Ihman Katt. Durch die stille, düstere Luft tönten Fetzen von Geräuschen und Lauten herauf, Gelächter, ab und zu konnte man sogar ein, zwei vollständige Wörter aufschnappen, hochgeweht von der wechselhaften warmen Thermik. Jaril befand sich unten in der Stadt und suchte Maksim. Beim bitteren Geschmack der Gerbsäure und dem Gefühl von Teeblättchen auf Zunge und Lippen schnitt Brann eine Fratze. So ist Maksim eben, dachte sie. Immer treibt er sich herum, wenn man ihn am dringendsten braucht, und braucht man ihn nicht, ist er ein Klotz am Bein. Heute nacht muß ich auf Jagd gehen.
Als der Angekettete Gott Branns zwei Zöglinge aus der Abhängigkeit von ihr befreit hatte, war sie zunächst erleichtert gewesen. Jedesmal wenn sie für das Paar auf die Pirsch gegangen war, hatte ihr das, was sie tun mußte, Widerwillen eingeflößt, das Töten Nacht um Nacht, bis Yaril und Jaril gesättigt waren und sie wieder für ungefähr einen Monat Ruhe hatte; später, als die beiden älter wurden, genügte eine Jagd im Jahr, und noch später genügte ein Jagen alle zwei Jahre. Nacht für Nacht — in mehr als zehntausend Nächten — hatte die Seelentrinkerin Frauen und Männern das Leben ausgesaugt, bis sich diese Notwendigkeit schließlich erübrigte. Sie hatte ihr Gewissen dadurch beschwichtigt, daß sie als Opfer Diebe und Sklavenschinder wählte, Mörder und Wucherer, Schläger, Gauner und Ausbeuter, bestechliche Richter und geheime Büttel, all jene, die Muskeln oder Ämter nutzten, um Schutzlose zu bedrängen. Alle die vielen Jahre lang hatte sie sich danach gesehnt, diese Last abstreifen zu dürfen, während all jener Jahre hatte sie geglaubt, sie empfände gegen ihre
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