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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Zwangslage Abscheu. Endlich hatte sie das Jagen aufgeben können und gemeint, sie sei zufrieden. Und nun, da sie von neuem vor dem Erfordernis stand, war sie sich nicht mehr sicher, wie sie in dieser Hinsicht fühlte ... Nein, das stimmte nicht. Sie wußte es nur zu gut.
    Sie blickte auf die Lichter Kukuruls hinunter und fühlte sich beunruhigt infolge der wachsenden Ungeduld, es zog sie nachgerade hinab zur Pirsch, ihr Leib zitterte vor Erwartung, wenn sie sich ausmalte, wie sie Menschen beschlich, so viel Lebenskraft aufsaugte, bis sie glomm wie der Mond. Sich prall anfüllte mit der schrecklichen Glut, die sich mit nichts anderem vergleichen ließ. Mit nichts. Sie entsann sich daran, durchströmt von Leben, Leben, Leben,
    Leben gewesen zu sein, voll mit Furcht und gleichzeitig voller Verzückung. Auf gewisse Weise erinnerten jene Erlebnisse sie, obwohl ihr der Vergleich keineswegs behagte, an jene Augenblicke einer geruhsameren Zeit ihres Daseins, wenn sie ihren Brennofen ausgeräumt und unversehens ein kleines Wunder in den Händen gehalten hatte, an diese wundervollen Augenblicke, die reich gesegnet gewesen waren mit einzigartiger Erfüllung ... Und während der vergangenen zehn Jahre hatte sie keine dieser beiden Arten von Entzücken verspürt. Ja. Entzücken. Gib es zu. Halte dich wenigstens bei dir an die Wahrheit, wenn du es auch sonst niemandem verrätst. Befriedigung, ein Vergnügen, das jede andere Freude übertraf, selbst die geschlechtliche Lust, auch die gemütlicheren Annehmlichkeiten guter Speisen und bekömmlicher Weine. Brann drückte eine Hand unter das Kinn, preßte die erschlaffte Haut an den Kiefer, senkte die Arme, kniff in den weichen Wulst ihrer Bauchwölbung; sie war der Nachteile und Beschwerden überdrüssig, die das Altern mit sich brachte. Wenn sie schon nicht sterben durfte, weshalb sollte sie ein Leben in einem allmählich immer nichtsnutzigeren Körper erdulden? Sie schauderte. Nein, dachte sie, nein, das ist unzumutbar.
    Sie entfernte sich vom Fenster, begann im Zimmer auf- und abzugehen, hin und her, auf und nieder; ihre bloßen Füße riefen auf dem Geflecht des Teppichs leise Schlurfgeräusche hervor; ihre Atemzüge gingen unstet, unregelmäßig. Sie fürchtete sich. Ihr Gefühl für das eigene Wesen schwand. Nur einer Sache war sie sich noch sicher: Weder hätte es ihrem Vater gefallen, in was sie sich jetzt verwandelte, noch hätte er ihr Verhalten gebilligt.
    Eine Eule schwang sich durchs Fenster herein und auf den Teppich herab, wurde zu Jaril; er stapfte zum Bett und warf sich auf die Decken. »Ich habe Maksim gefunden. Er kungelte gerade mit jemandem zusammen, deswegen war er nicht besonders erfreut über mein Dazwischenplatzen. Als ich ihm sagte, du wolltest mit ihm reden, fragte er, ob's dringend sei oder nicht, und wenn's nicht so eilig sei, gedächte er etwa um Mitternacht hier zu sein. Ich habe ihm gesagt, so sei's recht.«
    Brann setzte sich zu Jaril, pflügte die Finger durch sein feines Haar; es kribbelte ihr an den Händen, als Ströme ihrer Lebenskraft zu ihm Überflossen. Er stieß einen leisen Laut des Behagens aus und schmiegte sich dichter an sie. »Jay?«
    »Mm?«
    »Ihr müßt heim, nicht wahr?«
    Jaril wand sich, als wäre er unpäßlich. »Darüber können wir reden, wenn Yaro wieder da ist.«
    »Na schön. Wir werden uns darüber unterhalten müssen. Aber ich will dich nicht drängen.« Sie strich mit der Hand an seinem Arm hinab, umschloß mit den Fingern seine Hand. »Ich kann mich nicht von Sonnenschein ernähren oder mir Flügel wachsen lassen.«
    »Deine Börse ist leer?«
    »Flach wie'n Pfannkuchen.«
    Träge lachte Jaril, entzog Brann seine Hand. »Also muß ich auf Beutezug gehen?«
    »Mit der außerordentlichsten Zurückhaltung, mein Lieber.«
    »Meine Zurückhaltung ist größer, als du's dir vorstellen kannst, Brombeer.« Jaril gähnte, jedoch aus reiner Schauspielerei, denn er atmete gar nicht; daß er überhaupt noch zu solchen Spielereien neigte, stimmte Brann etwas froher, weil es bedeutete, daß er sich nicht in übertriebenem Maße mit Sorgen zermürbte. Er wurde wieder ernst. »Bei Nacht laß ich's lieber sein.«
    »Warum?«
    »Bei Tageslicht sind Wehrzauber schwächer.«
    »Seit wann mußt du dir wegen so was Gedanken machen?«
    »Alles ändert sich, Brombeer. Wir sind mittlerweile sehr mit der hiesigen Wirklichkeit verwachsen. Es gibt hier jetzt Geschöpfe, die uns wahrzunehmen vermögen. Jedenfalls auf bestimmte Weise.«
    Mißmutig

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