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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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davon, schaute sich gelegentlich über die Schulter um, weil sie sicher sein wollte, daß Korimenei ihr folgte.
    Am Rand der Felsen angelangt, kniete sich Korimenei nieder und spähte hinunter. In der Schlucht war es so dunkel und still wie hinter ihr an den Hängen. »Wie viele Stunden sind's noch bis zur Morgenfrühe?«
    Ailiki kratzte drei Striche in den Schnee, überlegte kurz, fügte dann einen vierten, jedoch nur halb so langen Strich hinzu. »Dreieinhalb. Gut. Das ist lang genug. Aili, ich schleiche mich hinab, du holst mir die Nachbildung, ja?«
     
    3 Während sie der schimmernden Gestalt Ailikis folgte, suchte Korimenei sich einen Weg durch die verstreut angelegten Pferche und Heuschober, strebte dann an der Reihe von Langhäusern vorbei, zu der etwas abseits errichteten, kleinen, mit Gras gedeckten Hütte, in welcher der Rushgaramuv-Schamane an seinen Weihefeuern gesessen und gesungen, in den vergangenen Nächten geschlafen und für den Klan Traumwanderungen unternommen hatte. Kori hatte beobachtet, wie Weiber ihm Essen zur Hütte brachten, Ehefrauen oder weibliche Verwandte, vermutete sie. Keine von ihnen hatte sie betreten. Am ersten Tag der Riten war dem Schamanen vom Siradar und seinen Ältesten ein feierlicher Besuch abgestattet worden; am nächsten Tag hatten seine Lieblingsfrau und die Klan-Matronen es getan. Nachdem die Riten nun vorüber waren ... Ihr Götter! Vielleicht hatte er die Hütte schon verlassen, es schneit, und in den Langhäusern ist es zweifellos wesentlich wärmer ...
    Der Schnee fiel dicht und lautlos, berührte Koris Haut sanft wie Daunen, schmolz aber sofort, wurde zu einem eiskalten, harschen Etwas, das ihrem Körper Wärme entzog. Hinter Ailiki umrundete sie den Tanzplatz und näherte sich der riesigen Eiche, unter der die Hütte stand; alles besaß große Ähnlichkeit mit dem Tanzplatz im Owlyner Tal, wo sie unter der Anleitung eines Priesters des Angeketteten Gottes und Kindertante Polatea gemeinsam mit ihren Angehörigen zu Beginn und zum Äusklang der Jahreszeiten an Tänzen teilgenommen hatte, doch waren die Feste der Fingertäler erheblich züchtiger als die Veranstaltungen gewesen, die sie im Laufe der letzten Tage mitangesehen hatte. Kori runzelte die Stirn. Wie alle Kinder war sie bei Sonnenuntergang ins Bett geschickt worden; vielleicht hatte man danach den Anstand aufgegeben. Sie schüttelte den Kopf. Für solche Überlegungen war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Nimm dich zusammen, Weib, ermahnte sie sich. Zerstreute Gedanken bedeuten Streuung von Schwingungen, und du willst ja nicht, daß der Alte aufwacht.
    Sie schlich zur Hütte und lauschte an der Lederklappe, die den niedrigen, viereckigen Eingang verschloß. Schnarchen. Der Schamane befand sich im Innern, soviel stand fest, und anscheinend schlief er tief. Kori lehnte sich in die Grasabdeckung der Hütte und nahm bei dem Mann behutsam eine Körpererkundung vor.
    Er lag in völliger Besinnungslosigkeit da; eine Herde Boghans hätte über ihn hinwegtrampeln können, ohne daß er es merkte.
    »Liki«, flüsterte Korimenei, »ich brauche 'n bißchen Licht, mmh?«
    Sie hob die Klappe und schlüpfte hinter der Mahsar hinein. Drinnen war die Luft warm und roch stark nach einem Gemisch aus Kräutern, Schweiß und alter Pisse; in einem Kupferbecken brannte ein schwaches Torffeuerchen, das mehr Qualm als Wärme verbreitete; eine Hälfte des Rauchs erzeugten die Reste der Kräuter, die den Schamanen in seine Bewußtlosigkeit versetzt hatten, Räucherwerk verströmte die andere Hälfte. Er ruhte zusammengekrümmt auf einem Haufen verwetzten Leders und schnarchte. Er hatte eine gewisse Magiebegabung, Korimenei hatte es bereits von der Höhe des Kliffs aus gespürt, doch sie war gering. Selbst wenn er erwachen und sie ertappen sollte, verkörperte er für sie kaum eine Gefahr.
    Trotzdem verhielt sie sich vorsichtig, als sie zu ihm kroch, hatte sich ringsum abgeschirmt und so gut in eine Ich-bin-nicht-da-Haltung gehüllt, wie sie es vermochte; ihre Maßnahmen wären erbärmlich gewesen, hätte sie es mit jemandem wie Maksim oder auch nur Shantien Shere aufnehmen müssen, doch für diesen Mann genügten sie.
    Er trug seine Torbaoz, einen eingeölten Lederbeutel von der Länge eines Unterarms, um den Hals. Sie berührte den Beutel, zog jedoch die Hand zurück, als der Schamane mitten in einem Schnarchlaut verstummte. Sie faßte den Beutel ein zweites Mal an. Der Schamane wirkte, als empfände er Unbehagen, aber er erwachte

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