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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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eine sichere Unterkunft suchen, es wird einen dreitägigen Schneesturm geben. In der dortigen Umgebung liegen mehrere Gsany-Weiler nah beieinander, du hast die Auswahl, wo du so lange unterschlüpfst. Komm so schnell du kannst, Schwester, ich bin meines Zustands müde.« Das Eidolon flackerte und erlosch.
    Korimenei stieß einen Seufzer aus. »Tja, Aili mein Liki, 's schaut aus, als hätte sich nichts geändert. Ich werde froher als er sein, wenn die ganze Sache ausgestanden ist. Jedesmal wenn ich ihn sehe, habe ich ein Gefühl, als hätte er mich gekratzt.« Sie fuhr mit der Hand an der Vorderseite ihres Überrocks hinab, kraulte dann die Mahsar hinter den Ohren. »Wir werden uns ein warmes, friedliches Plätzchen suchen, meine Aili, und darauf warten, daß meine Tochter geboren wird.«
    Am Morgen bedeckten sechs Zoll Schnee die Erde, doch hatte es, wie vom Eidolon vorausgesagt, zu schneien aufgehört, und ein Wind pfiff, der scharf war wie Klingen. Ailiki brachte die Kleinpferde, fütterte sie mit aus den Rushgar-Speichern gestohlenem Hafer. Die kleine Mahsar veränderte sich mit jedem Tag, der verstrich, das Tierhafte entwickelte sich allmählich zurück, sie wuchs mehr zu so etwas wie einem stark behaarten Menschlein heran, sogar das Gesicht wurde flacher; ganz langsam, so daß man es fast nicht merkte, aber unaufhaltsam, so befand Korimenei, bildete sich unterm Fell ein menschliches Angesicht heraus. Wenn die Verwandlung fortschritt, würde Ailiki vielleicht eines Tages zu sprechen imstande sein. Kori verstaute das Gepäck in den Taschen, denen man mittlerweile die Belastungen der langen Reise anzusehen begann, baute das Versteck ab, rollte die Bestandteile der Zeltbahn zu einem festen Bündel zusammen.
    Um die Mitte des Vormittags hatte sie die Vanner-Straße gefunden; der steife Wind hatte sie teilweise vom gefallenen Schnee freigeweht, so daß Kori gut vorankam, doch ließen die Pferdchen sich nicht hetzen. Zwar hatten sie ein zottiges Winterfell, aber längst nicht soviel Fett angesetzt, wie sie hätten haben müssen. Trotz der Rücksicht, die sie auf sie genommen hatte, waren sie ebenso verschlissen wie das Leder der Satteltaschen, sahen so aus, wie Korimenei sich an manchen Tagen fühlte, obwohl die morgendliche Übelkeit schon seit vor Erreichen der Berge ausblieb. Sie wanderte und ritt, ritt und wanderte, schlitterte bisweilen, schleppte sich manchmal nur noch dahin, verfluchte die Berge, die Kälte und genauso ihren Bruder, weil er sie bei diesem Wetter durch die Lande scheuchte.
    Als die Abenddämmerung herabsank, bog sie um eine Erhebung und befand sich unversehens am Rand eines kleinen hübschen Dorfs, das sie stark an ihr Heimattal erinnerte. Sie brachte ihre Kleinpferde zum Stehen, stieß vor Vergnügen einen Pfiff aus. Selbst in der schattenhaften Trübnis konnte sie die hellen Farben, die Klarheit und Einfachheit der Umrisse erkennen. Die Häuser waren kleiner als die Sippenbehausungen, wie Kori sie aus ihrer Kindheit kannte, standen nebeneinander wie Perlen auf einer Kette, gewissermaßen Ellbogen gegen Ellbogen, anstatt einzeln in Hausgärten, doch ansonsten hatten sie die gleichen hohen Spitzdächer, eingeölt mit Zedernharz, bis sie fast schwarz waren, die gleichen weißgekälkten Mauern und gestrichenen Fachwerkbalken, die gleichen schweren, mit tief eingekerbten Schnitzereien verzierten Fensterläden. Kori konnte die Darstellungen nicht unterscheiden, bestimmt waren sie völlig anderer Art, doch darum ging es nicht, es kam darauf an, daß sie an den gleichen Stellen zu sehen waren, wie sie es von früher kannte. Sie fühlte, wie ihre Seelen weit wurden, sich ihre Zusammengekrampftheit lockerte. Zum erstenmal merkte sie, wie sehr sie ihre Familie vermißte, ihre Heimat. Mit Frit hatte sie über die Heimkehr gescherzt; jetzt befand sie sich wirklich auf dem Heimweg und war auf einmal darüber sehr glücklich. Sie lächelte freudig, vielleicht einfältig, trieb die Pferdchen an, die sich matt wieder in Bewegung setzten und lenkte sie zum Gemeindehaus an der Westseite des Dorfplatzes. Hinter ihr gab Ailiki soeben das gedämpfte Zischeln von sich, das Korimenei für ein Mahsar-Lachen hielt, schnalzte mit der Zunge, um das Packpferdchen anzutreiben, und schloß sich Kori an.
     
    4 Drei Tage später sah sie, als sie aus einem dichten Nadelgehölz ritt, einen Toten im Schnee auf dem Gesicht liegen, drei kurze Pfeile ragten wie schwarze Federn aus seinem Rücken und dem linken Bein. Dunkelrotes

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