Brann 03 - Das Sammeln der Steine
den Handschuhen. Er kennt mich als Kori, überlegte sie, zehn Jahre lang bin ich nicht mehr Kori gerufen worden, zehn Jahre ... Beim Blut der Götter, ich kenne ihn. Sie schaute ihn sich noch einmal, diesmal genauer an. Ich glaube, ich kenne ihn.
Er raffte sich hoch, schnitt eine Grimasse, als er merkte, wie schwächlich er noch war; zu ersetzen, was ihn der Blutverlust und die Heilung an Kräften gekostet hatte, würde einige Zeit dauern. »Wie ich sehe, bist du doch nicht zu Hause geblieben, und du hast auch keinen deiner Vettern geheiratet. Wie geht's deinem Bruder. Sag bloß nicht, er hat das Goldene Los gezogen. Oder?«
»Daniel?« Korimenei starrte den üppigen, gewellten Schopf an; es handelte sich eindeutig um echtes Haar, sie hatte es selber vom Gift gesäubert. »Aber du warst doch ...?«
»Ein Glatzkopf? Ja, stimmt. Und du warst 'n Kind?«
»Vor zehn Jahren. Im Laufe der Zeit wird man nun einmal erwachsen. Dagegen bekommen kahle Köpfe keine neuen Haare.«
Er wölbte die Brauen, verlieh seinem Gesicht dadurch einen Ausdruck des Befremdens. »Und mit dem Aufwachsen wird man auch 'n bißchen haarspalterisch, hab ich das Gefühl.«
Kori seufzte. »Das höre ich nicht zum erstenmal. So wird man wohl, wenn man zehn Jahre lang nur die Schule besucht. Allerdings führt Schulbesuch nicht zu Haarwuchs.«
»Ein Zauberer kann sich Haare sprießen lassen, wo er will, wußtest du das nicht?«
»Aber du bist kein ...« Korimenei trat dicht vor ihn, legte einen Handteller gegen seinen Brustkorb. »Jetzt bist du wahrlich einer.« Verdutzt wich sie zurück. »Wieso hab ich's vorhin, als ich mich mit dir beschäftigte, nicht bemerkt? Aber jetzt ...?«
»Das ist 'ne lange Geschichte.« Schubweise Krämpfe gingen durch Daniels Gestalt. Kor sah die Muskeln um seinen Mund beben, während er das Zittern seines Kinns zu unterbinden versuchte. Sie blickte an den Himmel, erspähte den verschwommenen Klecks, als den sich die Sonne erkennen ließ. Es würde noch mindestens für drei Stunden hell sein. Einerseits mochte sie soviel Zeit eines Tagesritts nicht verlieren; andererseits befand sich Daniel nicht im geeigneten Zustand zum Reisen. Er trug nicht einmal einen Mantel, nur das seltsame Wams, an das sie sich lebhafter als an den Mann selbst erinnerte, wenn sie nun genau darüber nachdachte. Eine Art von Koller, das nunmehr zwei Löcher aufwies, aufgrund der es um so weniger gegen den Wind schützte.
»Du kannst sie mir später erzählen.« Kori strebte zu den Pferden, das abgehackte Stapfen ihrer Füße zeugte von ihrer Gereiztheit. »Wir bleiben bis morgen früh hier. Während ich das Lager aufbaue, kannst du Brennholz fürs Feuer sammeln. Die Arbeit dürfte dich ein wenig aufwärmen.« Die Hand an ihrem Sattel, blickte sie sich nach ihm um. »Wenn du dich dazu imstande fühlst.«
»Falls du 'ne Axt hast, meine Zähne werden nicht genügen.« Daniels Stimme klang gepreßt, doch er beendete den Satz mit einem hastigen, andeutungsweisen Lächeln.
»Narr.« Korris Stimmung lockerte sich, sie entsann sich an die Tage, während der sie zusammen auf einem Wagen durchs Land gereist waren; Daniel hatte Fabeleien erzählt, Koris Gequassel gelauscht und ihr und den anderen Kindern etwas auf der Flöte vorgespielt. »Eine Axt habe ich nicht, nur ein Beil, das du mit meinem Segen verfluchen darfst, soviel du magst.« Sie begann an den Gurten zu nesteln, mit denen das Beil festgeschnallt war, fluchte selbst über das steife, widerspenstige Leder und die Ungeschicklichkeit ihrer von Handschuhen umhüllten Finger. »Auf dem Ritt durchs Gehölz habe ich viel Bruchholz gesehen. Ah!« Sie fing das Beil auf, als es aus den Gurten rutschte, hielt es ihm hin. »Es ist besser, 's trifft dich, als mich. Ich hab's gestern geschärft, für ungefähr drei Hiebe müßt's hinreichen.«
Daniel nahm den Stiel des Beils zwischen Daumen und Zeigefinger, widmete ihr noch ein verzerrtes Lächeln und schlurfte davon, entschwand unter den Bäumen.
»So, Aili, ich trage das Segeltuch. Du treibst die Pferde an eine Stelle, wo wir lagern können.«
5 Das Feuer knisterte laut, zischte ab und zu, wenn die Hitze in der Höhe darüber Schnee löste und er in die Flammen fiel. »Settsimaksimin fand heraus, daß ich 'ne ausreichende Begabung hatte, deshalb versetzte er mich nach Silili, zahlte für mich den Schulbesuch und stellte sicher, daß ich bis zur Verabschiedung blieb.« Korimenei hüllte sich enger in die Decken, schlürfte vom Tee, der in ihrem
Weitere Kostenlose Bücher