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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Finsternis das Licht nachäffen zu sehen, aber auch das hat seinen Nutzen. Willst du diesen Weg beschreiten, kannst du etwas lernen, die Zunft wird dir Kost und Logis gewähren, und das ist mehr, als du in der Gosse erwarten darfst. Hinzu kommt, daß es ein Vorteil ist, einer Zunft anzugehören, wenn du keine Familie im Rücken hast, sonst könntest du leicht ein Opfer der Greifrotten werden, die den Freudenhäusern und den Anführern der Kinderbanden und überdies jedem Fleisch verschaffen, den's nach Knaben gelüstet und der die Macht hat, um seine Gelüste zu befriedigen. Und dann gibt's noch das Schwarze Haus. Sei gewarnt, bleib auf der Hut vor dem Schwarzen Haus.«
    Ein Schaudern durchfuhr Davindo. »Das hat man mir schon in den Sklavenkäfigen geraten.«
    »Zu Recht.« Maksim schloß die Lider. Er fühlte, wie er ermüdete, doch er mußte sich um den Burschen kümmern, einen Lehrmeister für ihn ausfindig machen, den Lehrvertrag abschließen, einen Treuhänder einsetzen, der Davo mit Geld unterstützte, während er seine Ausbildung durchlief; das hieß, es würde noch Stunden dauern, bis er sich ausruhen konnte. Er wußte, warum er all das tat; er benutzte Davindo, um einen Teil der Schuld abzutragen, die er auf sich geladen hatte, als er Todich im Stich ließ, er gebrauchte den Knaben als Gegenstand der Buße, um seine Eigenliebe zu erneuern. »Entscheide dich«, forderte er ihn auf, die Stimme aus Ungeduld scharf.
    »Dieb.« Davindo schaute trotzig drein, als ob er erwartete, daß Maksim ihn zu einem ehrbareren Gewerbe zu überreden versuchen wollte.
    »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    »Meinetwegen.« Matt erhob sich Maksim, ging zur Tür. »Bis morgen abend dürfte alles geregelt sein. Dann gebe ich dir deinen Freilassungsbrief, und von da an wirst du auf dich gestellt sein.«
    Davindo biß sich auf die Lippe. »Warum?« fragte er hastig. »Warum tust du das?«
    Maksim schwang die Tür auf, sah Davindo über die Schulter an. Er wußte keine Möglichkeit, wie er die Frage beantworten könnte; der Knabe war noch zu jung, sein Auffassungsvermögen zu beschränkt, als daß er die Gründe verstünde, die Maksim antrieben. »Nenn's eine Schrulle«, sagte er und verließ das Zimmer.
     
    4 Am späten Abend stieg Maksim hinterm Gasthof den Pfad zu der Felsterrasse hinauf, von der aus er Brann und Jaril fortgezaubert hatte. Mit einem Besen, den er im Gasthaus von einem dort beschäftigten Mädchen geliehen hatte, fegte er den steinernen Untergrund so sauber, wie es nur ging, und zog danach mit einem Stück weicher Kreide einen Kreis. Er arbeitete rasch und zeichnete ein in Umrissen kenntliches Pentagramm; Genauigkeit war für das, was er beabsichtigte, nicht nötig, mit dem Werfen von Mantilithen verband sich wenig Gefahr. Was er unentbehrlich brauchte, war Absonderung.
    Die Kreide hatte unter anderem Teer zum Grundstoff, deshalb verwusch die Feuchtigkeit des Nebels sie nicht. Maksim streifte die Baumwollhandschuhe ab, die er getragen hatte, um zu verhindern, daß etwas an seinen Händen kleben blieb, und kniete sich in die Mitte des Fünfecks. Er zückte einen Beutel aus weichem Leder, zupfte den Knoten auf, der die Zugschnüre verknüpfte. Während er gedämpft das Mantik-Chantra vor sich hinbrummte, schüttete er die Rautensteine in seine linke Handfläche. Er schloß die Augen, stellte sich die Wirklichkeit vor, die er um Todichs willen erreichen mußte, sprach dann das Wort WANN? und anschließend das Wort: AN WELCHEM TAG? Indem er mit den Fingern der freien Hand schnippte, rief er die magische Auslösungsformel, seine dunkle Stimme dröhnte durch den Nebel, ihr Widerhall tönte, die Schwingungen und selbst das Schweigen zwischen den einzelnen Lautfolgen hatten etwas Reizvolles an sich; sobald der Nachhall verklang, warf er die Mantilithen und ersah aus ihnen die Antworten.
    In zwei Tagen. Zur dritten Stunde nach Mittag.
    Um diese Stunde würde Todichi Yahzis Herkunftswirklichkeit aufgrund unerklärbarer Umstände der hiesigen Wirklichkeit näher als sonst und infolgedessen leichter erreichbar, die Trennung zwischen beider weniger deutlich, vielmehr durchlässiger, die Zahl der zwischen ihnen befindlichen Wirklichkeiten irgendwodurch verringert sein. Maksim bewegte die Hände über die Steine, brummelte das abschließende Mantik-Chantra, die Segnung der Mantilithen, seine Danksagung für die erhaltenen Auskünfte.
    Zuletzt sammelte er die Steine auf, nahm den Besen und kehrte in den Gasthof zurück, überließ es

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