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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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er sechs gewesen war, und verwarf die Schätzung als falsch; der Junge war wenigstens zweimal so alt, zwar kaum der Kindheit entwachsen, erst im Übergang in die Halbwüchsigkeit begriffen, aber ein zäher schlauer, kleiner Straßenbengel, der sich und seinen Stolz mit allem verteidigte, was er aufzubieten verstand. Maksim erkannte die Verzweiflung hinter dem Prahlen, er kannte sich damit aus, weil er, als er fünf, sechs, zehn Jahre alt gewesen war, ähnlich empfunden hatte; all des widerte ihn an, machte ihn grausamer, als es eigentlich seiner Absicht entsprach. »Wenn ich dich nach Hause schicke, würde deine Familie dich dann einfach ein zweites Mal verkaufen?«
    Der Knabe preßte die Lippen zusammen. In seinen schwarzen Augen funkelte Zorn. Zuerst neigte er wohl dazu, seinem Ärger freien Lauf zu lassen und die scheußlichen Beschimpfungen auszustoßen, die er in den Gassen seines Heimatorts gelernt hatte, doch inzwischen hatte er sich soweit ins Sklavendasein gefügt, daß er seine Launen zu meistern wußte. »Ich bin verschleppt worden«, entgegnete er leise.
    »Wie du meinst. Ich werde dich rechtmäßig freilassen. Nein, halt den Mund. Ich habe nicht vor, mit dir über meine Beweggründe zu reden. Wünschst du heimzukehren, werde ich dich an Bord eines Schiffes bringen, dessen Schiffsherr mein Vertrauen genießt, so daß man erwarten darf, er befördert dich heim, und für dich die Überfahrt bezahlen. Falls du's vorziehst, in Kukurul zu bleiben, werde ich dafür sorgen, daß du eine Schule besuchen oder eine Lehre antreten kannst. Also?«
    Davindos Blick huschte von der Tür hinüber zum Fenster. Seine rosarote Zunge glitt über die Lippen. »Was soll ich dazu sagen?«
    »Ich weiß, was du zu wollen glaubst, aber ich gedenke dich nicht ohne weiteres in die Welt hinauszuschicken. Genug Schuld befleckt meine Seele, mehr davon kann ich nicht ertragen. Hast du irgendeine Begabung oder eine Neigung, der du nachgehen möchtest?«
    Davindo setzte eine pfiffige Miene auf. »Ich möchte bei dir lernen.«
    »Weißt du, was ich bin?«
    »Das Ungetüm da hat's mir gesagt. Ein Zauberer.«
    »Ja. Du hast keine Begabung zum Zaubern.«
    »Woher willst du das wissen? Du hast mich ja noch nicht geprüft.«
    »Magische Begabung ist erkennbar. Man braucht danach nicht zu forschen. Inmitten einer großen Stadt vermag ich sie jederzeit zu spüren, Jung Davindo. Ich kann dich nichts lehren. Verstehe diese Absage nicht als Kränkung, du würdest's einem Gesangslehrer nicht verübeln, wollte er dich nicht unterrichten, weil du keinen Ton halten kannst. Soll ich dich heimwärts einschiffen?«
    »Nein.« Davindo schluckte, trat den Teppich. Nach kurzem Zaudern straffte er die schmalen Schultern, blickte Maksim trotzig an. »Wenn ich schon mal hier bin, kann ich mir die Gegend genausogut angucken.«
    »Das ist ein kluger Entschluß. Wer die Gelegenheiten versäumt, die sich ihm auftun, ist ein Schwachkopf, der nicht die Bezeichnung Mensch verdient. Kannst du lesen?«
    »Natürlich kann ich lesen, ich habe Lehrer gehabt, seit ich laufen konnte. Äh ... Aber ich kann das Kauderwelsch nicht, daß man hierzulande spricht.«
    »Gut.« Maksim enthielt sich erneut eines Lächelns; dank der vernünftigen Einsichtigkeit des Knaben brauchte er dem Erfordernis, Davos Luftschlösser zu zerstören, nicht nachzugeben. »Je mehr Sprachen du zu lesen und zu schreiben verstehst, um so mehr Einfluß hast du auf die Bedingungen deines Daseins.« Er verschob die Füße, machte eine Ecke des Fußbänkchens frei. »Nimm Platz. Schule oder Lehre?«
    Davindo zögerte, dann setzte er sich lasch neben Maksims Füße. »Lehre.«
    »Von mir aus. Du hast meine Frage nicht beantwortet: Hast du eine Begabung oder eine Neigung, der du dich widmen möchtest?«
    »Ich werde später Kriegsherr sein.«
    »Wie du bereits erwähnt hast. Soll ich daraus schlußfolgern, du hegst kein Interesse an Gelehrtheit?« Davindo antwortete nicht, verzog jedoch das Gesicht zu einer Fratze der Geringschätzigkeit. »Also Lehre, nicht Schule. Am besten vermittle ich dir einen Platz in einer Zunft. Händler, Söldner, Seemann, Priester, Künstler, Schauspieler, Sänger, Musikant, Dieb, Bettler, was soll's sein? Es gibt noch mehr, aber das sind die wichtigsten Zünfte.«
    »Die Diebe haben auch 'ne Zunft?«
    »Sie machen davon kein Aufhebens, doch nehmen sie Lehrlinge an und haben Lehrmeister, die sie unterweisen. Du findest das lustig, hmm. Sicherlich ist es durchaus spaßig, die

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