Brann 03 - Das Sammeln der Steine
Arsuider in ihrer Stadt nur ungern Fremde duldeten; dies Bollwerk bestätigte nicht nur ihre Abneigung, sondern erlaubte es, ihnen eine sogar noch negativere Haltung zu unterstellen. Sie behandelten Besucher wie Krankheitserreger, isolierten sie, sonderten sie vom städtischen Organismus ab.
Die Pforte öffnete sich mit einem Knirschen, das sich anhörte, als schabte ein rostiges Messer über Knochen. Aus diesem Viertel kann sich niemand unbemerkt fortschleichen, schlußfolgerte der Blaue Danny. Durch den engen Zugang betrat er das Estron Coor. Der Junge schaute ihm nach, während eine komplizierte Vorrichtung von Gewichten und Seilen die Tür schloß. Er paßt auf, ob ich auch da bleibe, wo er mich hingebracht hat. Was für nette Leute. Der Blaue Danny hielt Umschau.
Direkt an der Innenseite der Mauer stand ein drei Etagen hohes Gasthaus; nach dem Aussehen der Fenster in der zweiten Etage sowie sonstigen Anzeichen geurteilt, mußte es dort acht Zimmer haben, die Gebäudetiefe reichte kaum für mehr als ein Zimmer mit je einem Fenster. Die dritte
Etage war lediglich ein unter die gezahnten Dachkanten geducktes Dachgeschoß mit kleinen, unverglasten, durch Läden verschließbaren Luken, die nicht als richtige Fenster gelten konnten. Neben dem Gasthaus gab es mehrere winzige Geschäftshäuser mit Wohnungen in den Obergeschossen, darunter ein kleineres Restaurant, eine Lebensmittelhandlung, einen Fleischer, ein Gemischtwarengeschäft. Auf der anderen Seite des Kanals, der vor dem Gasthaus floß, erhob sich ein recht bombastisches Lagerhaus, dessen Erdgeschoß zum Teil von Büros belegt war, zum Teil eine Reihe von so stark mit Ketten und Riegeln gesicherten Portalen aufwies, daß man dahinter seltene und kostbare Waren vermuten mußte. Neben dem Lagerhaus stand etwas ähnliches wie ein Mehrzweck-Heiligtum; sieben Freitreppen führten hinauf zu sieben völlig verschieden gestalteten Torbogen; Geister in unterschiedlichen Stadien der Auflösung wallten in und aus Öffnungen, die den Rundturm, der aus dem quadratischen Sockel des Bauwerks aufragte, quasi zu einem Sieb machten, wanden sich vorbei an Frauen, die in diesen Öffnungen saßen, bemalte Brüste vorzeigten, vermischten sich mit den Schwaden von Räucherwerkqualm, durch den die Luft in dem Tempelbau ständig dick genug zum Schneiden blieb. Die Frauen verleiteten das Ahzurdan-Phasma zu einer spöttischen Bemerkung. *Tempelhuren. Hast du Lust zur Wollust, Danny?* Das Daniel-Phasma brabbelte etwas, das Danny nicht verstehen konnte und auch gar nicht wollte.
Alle diese Bauten waren noch relativ neu, aus Holz errichtet und von jemandem entworfen worden, der eine Schwäche für spitze Ecken gehabt haben mußte; die Dachkanten sahen wie die Unterkiefer von Haien aus, aus sämtlichen Eckbalken lugten Speerspitzen oder vergleichbar spitze Gegenstände mit messerscharfen Klingen. Die äußeren Fensterbretter luden keineswegs zum Hinauslehnen ein; vielmehr strotzten sie von senkrechten Nägeln wie der
Rücken einer Stachelschlange mit aufgerichteten Stacheln, und die Spitzen der Nägel zeigten Verfärbungen. Gift, dachte Danny. Du meine Güte.
Leute beobachteten ihn, obwohl sie ihm ansonsten die kalte Schulter zeigten, aus den Augenwinkeln. Sie gaben einen buntscheckigen Haufen ab, allem Anschein nach hatten kaum zwei von ihnen etwas miteinander zu tun, obschon es sich überwiegend um Männer handelte. Sie lungerten herum, als hätten sie keine wichtigeren Absichten, als Neuankömmlingen verstohlene Blicke zuzuwerfen; alles erweckte den Eindruck von Stagnation, von Stockung, obwohl das Wasser im breiten Kanal sauber und ungehemmt floß, verstreut Blumen durchs schwache Kräuseln der Wellen schaukelten, die Blumen konnten durch die großen Gatter der Wehre schlüpfen. Ein Mann entfernte sich lahmarschig von einer Gruppe Kerle, überquerte die gewölbte Brücke zum Tempel und betrat das Gebäude. Ein paar Frauen in düsteren Schleiern, die sie von Kopf bis Fuß verhüllten, huschten von einem Ladengeschäft zum nächsten, erstiegen die Treppen zu einer der darüber befindlichen, engen Wohnungen oder zogen sich ins Gasthaus zurück.
Ohne Eile spazierte der Blaue Danny, indem er für die Seitenblicke nichts als eine maskenhafte Miene erübrigte, zum Gasthaus, überlegte ernst, was ein Zimmer kosten könnte. Er besaß eine recht gemischte Sammlung Münzen, einige stammten noch von Daniels Aufenthalt in Cheonea, einige aus Ahzurdans Börse, andere hatte Danny im
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