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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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schlich sich der Alte von ihm weg und setzte sich mit krummem Rücken an den Gluthaufen. Er stocherte mit einem Stab in der Glut herum und murmelte vor sich hin. »Kann es sein… Soll es jetzt schon geschehen?« Er riss die Augen auf und sah entsetzt zu Bran hinüber. Dann drehte er ein glühendes Holzstück um, ehe er hasserfüllt zum Inselkönig zurücksah. »So wird es also geschehen. Endlich… Nach so vielen Jahren der Scham. Endlich kann ich einschlafen, ohne Schande zu empfinden. Und ich werde von den Tagen unserer Jugend träumen…«
    Er legte den Stock zur Seite und wog den Kopf hin und her. Dann rappelte er sich auf und warf sich seinen Umhang um. Aus dem Halbdunkel hinter dem Stuhl holte er einen Wanderstab hervor und beeilte sich, zur Tür zu kommen. Der alte Mann warf noch einen letzten Blick auf die Männer an der Feuerstelle, schüttelte den Kopf und huschte nach draußen.
    Der Inselkönig zeigte hinter ihm her und lachte. Die hölzerne Spitze des Weinschlauches rutschte dabei aus seinem Mund, so dass der Wein auf seine Brust schwappte. »Was für ein Berater, he? Der Alte ist manchmal recht merkwürdig, aber darum müsst ihr euch nicht kümmern.«
    Er drückte seinen Daumen auf die Öffnung des Schlauches und stand unsicher von seinem Stuhl auf. »Aber jetzt wollen wir sehen… Ich habe viele Frauen, meine Freunde. Und jeden Abend… Jeden Abend suche ich mir eine von ihnen aus…« Der Inselkönig schwankte wie ein übergewichtiger Mast, während sein Blick zu den Frauen huschte, die noch immer am Feuer standen. »Die da…« Er fuchtelte mit der Hand in Richtung von einer der wenigen blonden Frauen. Sie war sonnengebräunt, und die Haut unter ihren Augen war dunkel verfärbt, als hätte sie viele Tage nicht geschlafen. Ihre Schultern lagen schmal und dünn unter dem Schal. Sie hatte den Blick nicht wie die anderen Frauen gesenkt, sondern sah wie ein gefangener Wolf durch ihre verfilzten Locken nach draußen. Unablässig verlagerte sie ihr Gewicht von einem Bein auf das andere.
    »Die ist ganz neu«, grinste der Inselkönig. »Ich habe sie gestern für dreimal zehn Tritonshörner gekauft. Jetzt werden wir sehen, ob sie es wert ist!« Der Inselkönig ließ sich den Wein über das Gesicht rinnen, und die Krieger schrien vor Lachen. Bran fühlte sich schlecht, und auch Hagdar war nicht mehr nach Grinsen zumute.
    Der Inselkönig taumelte um das Feuer herum. Eine Hand hatte er nach vorne ausgestreckt, während die andere den Weinschlauch umklammerte. Bran sah, wie die Frauen ihre Schultern einzogen und in die Rolle der Unterlegenen schlüpften. Der Inselkönig ging an einer nach der anderen vorbei und hatte den Blick dabei fest auf die Blonde geheftet.
    Mit einem Mal stand Bran auf. Er spürte die Wut in seiner Brust und das Messer in seiner Hand. Hagdar packte ihn an der Schulter.
    »Sie werden uns töten! Lass das Messer los, Bran!«
    Jetzt erst bemerkte Bran die Krieger. Sie lachten nicht mehr, sondern griffen nach Dolchen und Schwertern, die sie am Balken abgelegt hatten.
    Hagdar wandte sich ihnen zu. »Er hat zu viel getrunken. Die Reise hat ihn erschöpft.« Und dann fauchte er Bran ins Ohr: »Sag, dass du müde bist, Bran, und betrunken!«
    Brans Blick fiel auf sein Messer und er wusste, dass Hagdar Recht hatte. Er hatte wie damals in Krett zu viel getrunken. Die Kretter hatten ihn herausgefordert, und als er in diesem stinkenden Wirtshaus vom Stuhl gerutscht war, hatte der Kretter die Börse aus seinem Mantel genommen und die Goldmünzen gestohlen, die er für das Leder bekommen hatte. Vater hatte ihn ausgeschimpft, als er nach Hause gekommen war, doch er hatte ihn nicht geschlagen. Er wagte das nicht mehr. Vater war alt und schwach geworden, und Bran hatte ihm als Antwort vor die Füße gespuckt.
    Er sah zum Inselkönig hinüber und dachte, dass er gleichwohl noch etwas trinken konnte – das Messer war bestimmt nicht immer die beste Waffe. Der Inselkönig hatte sicher nichts von der Unruhe bemerkt, denn er schwankte noch immer mit dem gleichen Grinsen auf den Lippen auf die Frau zu. Bran beugte sich hinunter und spürte, wie sich der Boden unter seinen Füßen bewegte. Er nahm den halb vollen Weinschlauch, hob ihn an und wandte sich dem König zu.
    »Heil Sar!«, brüllte er, »Sar der Dic… Sar der Dritte!«
    Die Männer jubelten und prosteten ihm zu. Der Inselkönig entließ die Frau aus seinem Blick und sah zu Bran hinüber.
    »Lasst uns trinken! Auf gutes Wetter und Jagdglück!« Bran

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