Brans Reise
Inselkönig antwortete etwas und gähnte erneut. Bran wandte sich ab und versuchte die seltsamen Bilder abzuschütteln.
»Guten Morgen«, sagte Hagdar. Er hatte sich auf eine zusammengerollte Decke gesetzt und streckte seinen Rücken, wobei er sich den Bart kratzte. »Wie geht es deinem Kopf?«
Bran drehte seinen Kopf im Kreis und hörte, wie die Halswirbel knackten. »Nicht schlechter als sonst.« Er sah zu der Sklavin hinüber. Sie saß in der Ecke an der Wand und hatte ihre Arme um die Knie gelegt.
»Vergiss sie.« Hagdar klopfte ihm auf die Schulter. »Sie ist die Frau des Königs. Wir können das nicht ändern.«
Bran wusste, dass er Recht hatte. Er stand auf und folgte Hagdar in den Saal. Der Inselkönig grüßte sie vom Bad aus. Auch die Krieger wachten jetzt langsam auf, stöhnten und suchten Schwerter und Stiefel und all das andere, was sie von sich geworfen hatten, zusammen. Bran und Hagdar nahmen ihre Speere und traten nach draußen, denn sie wollten den neuen Tag unter freiem Himmel begrüßen. Sie warteten auf der Lichtung, während die Männer des Königs hin und her ritten und Jäger mit Vögeln oder Hasen an den Gürteln aus dem Wald kamen. Es roch nach sonnengewärmtem Boden und feuchtem Wald, und überall um sie herum zwitscherten Stare in den Bäumen. Bran wunderte sich, dass ein derart schöner Ort so voller Bosheit sein konnte, denn welch andere Worte sollte er für das finden, was er dort im Saal erlebt hatte? Sie saß jetzt dort drinnen in der Kammer an der Wand und fragte sich voller Angst, was der Inselkönig mit ihr anstellen würde. Er verfluchte sich selbst, und auch Hagdar, der gesagt hatte, das sei nicht zu ändern.
Nach einer Weile begannen die Reiter ihre Pferde vor dem Saal zu versammeln. Diener traten mit Säcken und Tonnen aus der Tür, die sie an den Sätteln festbanden. Bald schon standen zwölf schwer beladene Pferde bereit, und die Krieger stiegen auf. Ein Reiter führte einen weißen Hengst an die Spitze der Packpferde. Die Diener verschwanden wieder im Saal, und dann tauchte der Inselkönig in der Türöffnung auf. Er hielt sich die Hand über die Augen, um die Sonne abzuschirmen, und rümpfte die Nase. Er schien nicht gerade begeistert über das gute Wetter zu sein. Doch als er Bran erblickte, leuchteten seine Augen auf.
»Fremde!« Er winkte mit der einen Hand und strich sich mit der anderen die nassen Haare aus der Stirn. »Junger Mann, schon auf! Ihr müsst mir verzeihen, aber ich arbeite hart und brauche viel Schlaf.« Er watschelte zu den Pferden hinüber, und Bran sah, dass er frische Kleider trug. Das Hemd reichte ihm bis zu den Knien. Darunter trug er eine enge Reithose, die in einem Paar hoher Stiefel verschwand. Der Inselkönig überprüfte die Lasten der Pferde.
»Gut«, sagte er. »Mein bestes Fleisch. Wasser und Wein in Tonnen. Gut, gut.« Er ging an der Reihe der Pferde entlang, tätschelte jedem Einzelnen den Hals und nickte den Dienern zu, die die Zügel hielten. Als er das letzte Pferd erreichte, zog er die Stirn in Falten und biss sich auf die Unterlippe.
»Li? Wo ist das Geschenk?« Er deutete mit zitternden Fingern auf den Sattel. »Ich habe doch gesagt, dass ihr das Geschenk nach draußen bringen sollt!«
Der am nächsten stehende Diener ließ die Zügel los und hastete unter Verbeugungen und Entschuldigungen zur Tür zurück. Bran drehte seinen Speer in seinen Händen.
Der König grinste und stützte sich ans Pferd. »Li taugt nichts. Ich hätte ihn ertrinken lassen sollen, aber ich bin ein Mann voller Mitleid und Gnade. Vergebt mir, Fremde. Er holt jetzt das Geschenk für euch, und dann brechen wir auf…«
Da kam Li zurück. Er hatte das Geschenk des Königs bei sich. Es war die Sklavin. Ein Seil war um ihren Hals gelegt worden. Sie trug die gleichen dünnen Kleider wie am Abend zuvor, verbarg sich aber, so gut es nur ging, unter einem weiten Umhang.
»Ich habe gesehen, dass sie dir gefallen hat.« Der König streckte die Hand nach ihr aus. »Deshalb soll sie dir gehören. Keiner hat sie berührt, also hat sie keine Krankheiten. Ihr Körper ist dünn, sie wird sicher nicht viel essen.«
Li schlich sich wie ein bettelnder Hund zu Bran hinüber. Er verbeugte sich und reichte ihm das Ende des Seils. Bran starrte zuerst auf das Seil und dann auf den Menschen an dessen Ende.
»Nimm es an«, flüsterte Hagdar. »So kannst du sie jedenfalls hier herausholen!«
Bran nahm das Seilende und wickelte es einmal um sein Handgelenk. Der König lachte
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