Brans Reise
umklammerte das hölzerne Mundstück mit den Zähnen und ließ den Wein seine Kehle hinabrinnen. Das verstand der Inselkönig. Er schluckte, so viel er nur konnte, während Bran den Weinstrom mit seiner Zunge stoppte. Der Inselkönig schloss die Augen, presste die letzten Tropfen aus dem Schlauch, ließ ihn fallen und stöhnte. Dann trat er einen Schritt zurück, rülpste und fiel wie ein Sack zu Boden.
»Schlau wie ein Fuchs«, flüsterte Hagdar.
Bran blieb stehen und sah zu, wie die Krieger den betrunkenen Mann wegtrugen. Er wischte sich den Wein vom Mund und ging auf die Frau zu. Wieder lachten die Krieger. Sie haben bestimmte Erwartungen, dachte Bran. Sie verstehen, warum ich den König verleitet habe, zu trinken. Er berührte ihre Haare und die Männer blökten wie Ziegen. Doch er durfte sich jetzt nicht darum kümmern, denn er musste wissen, wie sie aussah. Er schob ein paar ihrer Locken aus ihrem Gesicht. Da blitzten ihm ihre verweinten Augen im Licht des Feuers hasserfüllt entgegen. Ihre Haut war schmutzig, doch ohne Narben. Bran war froh darüber, denn der Vogelmann hatte ihm erzählt, wie grausam die Sklavenhändler mit ihren Gefangenen umgingen. Bran wusste, dass er sie in Ruhe lassen sollte, aber der Wein sang in seinem Kopf und steuerte seine Hände. Ihre Lippen sahen so weich aus. Er legte seinen auf ihren Mund und strich über ihre schmale Nase bis hinauf zur Stirn. Ihre Augen waren blau wie die seinen.
»Sieh doch«, sagte Hagdar. Er hatte sich neben ihn gestellt. »Sie weint. Lass sie in Ruhe, Bran!«
Bran zog seine Hand zurück und wurde sich plötzlich bewusst, dass er mit ihren verfilzten Haaren gespielt hatte.
»Du hast zu viel getrunken. Ich glaube, wir sollten uns lieber hinlegen.«
Hagdar legte seinen Arm um Brans Schulter und führte ihn auf eine der Kammern zu. »Das Wildschweinfleisch können wir morgen essen.«
Bran spähte zu den Kriegern hinüber, die sie jetzt, da der Inselkönig schlief, aber nicht mehr zu beachten schienen. Sie schoben die Fleischstücke von ihren Spießen. Die Frauen beeilten sich, zurück in die Kammern zu kommen. Bran umklammerte das Handgelenk der Sklavin.
»Wir nehmen sie mit«, murmelte er. »Ich traue diesen Räubern nicht.«
Die Sklavin setzte sich nicht zur Wehr, als er sie zu der Kammer führte. Vorsichtig schritt sie über den irdenen Boden, und er dachte, dass sie es sicher nicht gewohnt war, barfuß zu laufen. Er wunderte sich, dass sie keinen Widerstand leistete, denn sie konnte ja nicht wissen, dass sie ihr nichts antun wollten. Einzig in dem Moment, als sie sie vor sich in die Kammer schoben, wehrte sie sich. Doch Hagdar packte ihre Arme und schob sie hinein, dann folgten sie und zogen den Vorhang hinter sich zu. Bran ging mit ihr bis zur Wand und achtete darauf, dass sie sich dort hinlegte. Dann sanken er und Hagdar unmittelbar hinter dem Vorhang zu Boden.
»Wir müssen abwechselnd schlafen«, sagte Hagdar gähnend, ehe sie beide einschliefen.
Das Erste, was Bran hörte, war eine knirschende Tür. Er hob den Kopf und spürte, wie es in seinem steifen Nacken knackte. Dann wälzte er sich auf die Seite, rappelte sich auf und ließ die Krallen über seinen Augen zuschlagen. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und sah, wie die Krieger zwischen Weinschläuchen und Fleischstücken auf dem Boden lagen. Die Feuerstelle lag inmitten einer Lichtsäule, die durch die verrauchte Luft zur Decke emporstieg. Er folgte ihr mit dem Blick, vorbei an Spinnweben und Dachbalken, und konnte durch eine Luke ganz oben den Himmel erkennen. Es war Morgen, dachte er, und erinnerte sich an den Wein, den Inselkönig und die Frau. Wieder knirschte es. Unsicher trat er einen Schritt vor; die Krieger schnarchten noch immer. Da wurde die Tür geöffnet, und vier Männer traten ein. Sie hatten weite Hosen an und trugen einen länglichen Kupferkessel zwischen sich, den sie vor dem Thronhügel zu Boden stellten. Wasser schwappte heraus. Danach verschwanden sie im Halbdunkel. Bran hörte sie sprechen, doch er konnte ihre Worte nicht verstehen. Da traten sie wieder ins Licht. Jetzt trugen sie den Inselkönig. Sie stützten den noch immer betrunkenen Mann, zogen ihm sein Gewand aus und setzten ihn in den Kessel. Bran riss die Augen auf. Jetzt lösten sie Schwämme von ihren Gürteln und begannen ihn zu waschen. Der Inselkönig gähnte und schien aufzuwachen. Einer der Diener grüßte ihn untertänig, hob des Königs Arm an und wusch ihn in der Achselhöhle. Der
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