Brans Reise
hinterher, wobei er die ganze Zeit über das Messer an seine Kehle drückte. Dann schob Dielan die Ruder aus, und das Inselvolk ruderte vom Strand aufs Meer hinaus.
»Wenn ich bemerke, dass uns jemand mit Segeln oder Rudern folgt, töte ich ihn!« Er zerrte den Inselkönig am Kragen hoch und ließ die Sonne auf der Klinge des Messers blinken. Die Männer des Königs standen noch immer regungslos da.
»Wenn ihr uns davonrudern lasst, setze ich ihn auf einer Insel ab!«
Der Inselkönig weinte und jammerte. Bran stieß ihn zum Kielbalken hinunter und drückte die Spitze des Messers gegen den Bauch des Mannes. Er wischte sich die Spucke vom Mund und verdrängte das warme Gefühl in seinem Bauch. Die Boote entfernten sich rasch vom Strand.
Das Felsenvolk ruderte nach Westen, bis die Sonne rot und müde über dem Horizont hing. Die Insel im Osten war nur noch ein Schatten über dem Meer, und Bran gab seinen Männern den Befehl, einen südlichen Kurs einzuschlagen. Noch immer hielt er dem König das Messer vor den Bauch. Das Blut auf dem blauen Umhang war getrocknet, und die Angst in dem verschwitzten Gesicht war Erschöpfung gewichen. Der Inselkönig atmete flach, und doch pfiff es jedes Mal in seiner Brust, wenn er durch seine bläulichen Lippen Luft holte. Am liebsten hätte Bran ihn an Land gerudert, denn etwas an der Stille des Inselkönigs bedrückte ihn. Der dicke Mann unter dem Messer jammerte nicht mehr. Er lag dort in seinem Schmerz, und Bran verstand, dass dieser Mann wusste, was geschehen würde.
»Segel.« Dielan nickte nach Osten. »Sie verfolgen uns.« Bran sah, dass er Recht hatte. Unmittelbar im Süden der Insel glitt ein Zweimaster aufs Meer hinaus. Er kniff ein Auge zu, hielt sich die Hand über das andere und schätzte die Entfernung. Danach drehte er sein Gesicht nach Norden und begutachtete den Wind. Er war stark genug, auch wenn sicher bald nach Sonnenuntergang die Flaute einsetzte. Die Männer um ihn herum deuteten zu dem Schiff.
»Was sollen wir tun?« Dielan blickte zum Inselkönig hinunter.
Bran wurde warm im Hals. »Bitte Gwen, unter das Segeltuch zu gehen.« Er spürte, dass sich der Griff der Klauen über seinen Augen lockerte. Fast schienen sie seinen Kopf anzuheben und ihm Kraft zu geben, wie vor Tagen, als er die Kretter auf dem Schmugglerweg gesteinigt hatte. Er sah zur hinteren Bank des Bootes hinüber. Die Sklavin saß neben Gwen. Sie hatte ihre Arme um ihre Knie geschlungen und ihr Gesicht abgewendet. Jetzt stand Gwen auf. Sie warf einen Blick auf den Inselkönig hinunter. Dann stieg sie zwischen Dielan und Bran über die Ruderbank und kroch unter das Segeltuch.
»Hiss das Segel«, sagte Bran. »Und dann auf nach Süden. Wir haben einen guten Vorsprung.«
Dielan zog die Ruder ein und löste die Schot. Bran zog den Inselkönig auf die Knie hoch. Die Finger des dicken Mannes umklammerten den Rand des Bootes.
»Du hast gesagt, du würdest mich auf einer Insel aussetzen!« Der Inselkönig zitterte beim Sprechen.
Bran steckte das Messer in seinen Gürtel und packte ihn am Kragen. »Deine Männer verfolgen uns. Ich habe gesagt, dass ich dich töten werde, wenn sie das tun.«
Der Inselkönig ließ das Boot los und wandte sich zur Seite, während Bran ihn weiterhin am Kragen gepackt hielt. Er drehte seinen Kopf zur Sklavin und grinste.
»Ich hätte nicht geglaubt, dass ich von einer Frau gefällt würde. Und noch dazu von einer Sklavin.« Er lachte, und Bran sah, wie sie sich am Bootsrand zusammenkauerte, als hätte sie noch immer Angst, er könne ihr ein Leid antun. Bran zog den Inselkönig weiter hoch, so dass er mit den Schultern über dem Bootsrand zu liegen kam. Der dicke Mann lachte jetzt nicht mehr, aber er schien auch keine Angst zu haben.
»Ich weiß, dass du mich verachtest«, sagte er. »Du hast gesehen, wie ich mich betrunken habe und dann vor den Augen meiner Gäste eingeschlafen bin. Aber sei gewiss, es war dein Schicksal, dass du das gesehen hast.«
Bran blickte ihm in die Augen. Sie waren noch immer lebendig und voller Willen.
»Ja, sieh mich nur an!« Der Inselkönig starrte ihn an. »Das bist du selbst. Dein eigenes Schicksal!«
Bran kniff die Augen zu. Bilder flackerten in der Dunkelheit. Er sah Feuer. Er sah Blut und einen Körper, der in der Brandung vor einem Strand mit schwarzen Kieseln dümpelte. Und er spürte, wie ihn die Furcht kalt und schwach werden ließ.
»Du weißt nichts von meinem Schicksal!« Er wälzte den Inselkönig über den Bootsrand,
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