Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
alle Maßen unvernünftig.“
„Dann beschränke dein Bremsen auf die absolut notwendigen Male! Brems nicht, wo es sich irgendwie vermeiden läßt! Sag niemals nein, falls sich auch nur die geringste Möglichkeit bietet, ja zu sagen.“
Corinne sah mich nachdenklich an.
„Das ist schwierig, wenn man nun einmal einen ganz anderen Charakter hat“, erklärte sie langsam. „Aber das Letzte, was du da sagtest, Bernadette, werde ich beherzigen. Ich will versuchen, so oft wie nur möglich ja zu sagen.“
Forschend sah sie mich an, als wollte sie ergründen, woher ich meine Erfahrungen hätte. Aber nun kamen Asbjörn und Tony, und Grand’mere wartete bereits mit dem Essen.
„Schnecken!“ rief Tony. „Geliebte Grand’mere, hätte ich nicht Corinne, würde ich jetzt um deine Hand anhalten.“ Wir alle stürzten uns auf die Schnecken mit Ausnahme von Asbjörn.
„Greif zu, Asbjörn, beeil dich, solange noch etwas da ist.“ „Danke, nimm nur, ich nehme lieber vom Geflügelsalat.“
„Aber magst du denn keine Schnecken, Asbjörn?“
„Nein, ich.“
„Wie schade! Warum magst du sie denn nicht?“
„Ach, ich weiß nicht.“
„Hast du sie denn überhaupt jemals versucht?“
„Nein.“
„So ein Angsthase!“ rief Tony lachend. „Da weißt du gar nicht, ob sie dir schmecken oder nicht. Erst mußt du sie doch versuchen! Man kann nicht über etwas mitreden, das man nicht kennt!“
„Aber ich kenne Grand’meres Geflügelsalat, und kennen und lieben ist in diesem Fall dasselbe!“
Asbjörn sagte es lächelnd, doch seine Stimme hatte einen ungewohnten, sehr bestimmten Unterton.
Ich ärgerte mich. Warum war er ein solch sturer Dickkopf? Danke, ich muß schon selber meine Notizen ins reine schreiben. Ein Nein, ohne es versucht zu haben. Das geht nie, die Kamera auf den Vorsprung hochzuholen. Aber es ging ausgezeichnet. Von vornherein hatte er nein gesagt, ohne darüber nachzudenken, ob dieses Nein Sinn hatte. -
Nein, danke, ich esse keine Schnecken. Niemals hatte er sie versucht. Er hatte keine Ahnung, was er da ablehnte. Was hatte Tony soeben zu Corinne gesagt?
„Aber die Tatsache bleibt bestehen, daß ich dich seltsamerweise so liebe, wie du bist.“
Liebte nicht auch ich Asbjörn so, wie er war? Liebte ich nicht diesen großen, blonden Dickkopf, der dort saß und Grand’meres Geflügelsalat in sich hineinschaufelte? Und ob ich ihn liebte! Und wie ich ihn liebte! Dann aßen wir Schaschlik und Erdbeereis. Die Stimmung war glänzend.
„Ihr müßt nun leider ohne mich Mah-Jongg spielen“, erklärte ich. „Ich muß unbedingt nähen, aber trotzdem kann ich sehr unterhaltend sein!“
„Ach, Unsinn, mit dem Rock ist es doch nicht so eilig!“
„Doch! Frag Marietta! Sie will morgen mit Nino ausgehen.“
„Ist es denn für Marietta?“ fragte Asbjörn.
„Natürlich; du glaubst doch nicht, daß ich mit solchen Farben herumlaufen würde?“
„Nun hör mal zu, Bernadette, es ist schon sehr nett von dir, daß du dich für Marietta plagst. Sie kann froh sein, daß du überhaupt für sie nähst. Sie bekommt eben den Rock, sobald er fertig ist, so wie es dir paßt!“
„Es paßt mir, daß sie ihn morgen bekommt, denn da braucht sie ihn“, antwortete ich, und jetzt klang meine Stimme so entschlossen wie niemals zuvor.
„Selbst wenn du deswegen nicht mit uns spielen kannst?“
„Genau. Mah-Jongg kann ausgezeichnet auch von drei Personen gespielt werden. Siehst du, Asbjörn, für mich entscheidet hier nur eines: Was ist wichtiger: daß ich ein paar Stunden lang Mah-Jongg spiele, oder daß sich Marietta morgen schön und unwiderstehlich vorkommt, wenn sie einmal mit Nino ausgeht? Welche Freude ist größer, die meine beim Mah-Jongg-Spiel oder Mariettas am Rock?“ „Du übertreibst deine Freundlichkeit, Bernadette!“
„Das hat nichts mit Freundlichkeit zu tun, sondern ist nur eine Frage der Logik! Habe ich nicht recht? Was meint ihr?“ Ich sah Tony und Corinne an.
„Selbstverständlich hast du recht“, meinte Tony und nickte. „Asbjörn hat recht“, erklärte Corinnne, und ihre Augen funkelten mich an. „Asbjörn hat recht, aber Bernadette handelt richtig!“
„Du sprichst in Rätseln, Königin meines Herzens“, sagte Tony. „Aber Bernadette versteht mich“, entgegnete Corinne.
„Ich auch“, sagte Asbjörn. „Aber wie schwierig ist es für einen gewöhnlichen Mann, mit einem Engel auf Erden verlobt zu sein!“ „Engel!“ schrie Tony. „Hast du Engel gesagt? Warte nur, bis
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