Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
ist doch auch ein Zoo?“
„Ja, und was für einer! Dahin gehen wir, auch wenn ich mir die Zeit dazu stehlen muß! Du hast doch Lust dazu, Bernadette?“
„Und ob ich sie habe! Erstens liebe ich Tiere, und zweitens habe ich zu allem Lust, wozu du Lust hast!“
„Was für eine prächtige Frau du abgeben wirst. Worüber lächelst du?“
„Aus... aus Freude, könnte man sagen. Es ist so unsagbar schön, wenn wir das gleiche wollen und an den gleichen Dingen unsere Freude haben.“
„Das wollen wir doch immer“, antwortete Asbjörn. Es sei denn, ich will auf die Chenalette oder einen Film mit Maultieren drehen, dachte ich, sprach es jedoch nicht aus. Wir hatten es so gemütlich, und außerdem war ich nach der langen Autofahrt ein wenig müde und keinesfalls zu einer Auseinandersetzung mit Asbjörn aufgelegt. Einmal aber würde ich mich mit ihm aussprechen. Ich würde ihm von den kleinen Freuden erzählen, die kein Mensch einem anderen zerstören darf.
Einmal, wenn wir Zeit und Ruhe zum Reden hatten.
Asbjörn holte eine Karte hervor, auf der alle Jugendherbergen verzeichnet waren. Bis zur nächsten war es nicht mehr sehr weit.
In der Nacht schlief ich in einem Oberbett mit sieben anderen Mädchen verschiedener Nationalität in einem Zimmer. Ich schlief wie ein Stein und träumte, ich führe mit einer Schwebebahn von Villeverte nach Frankfurt.
„Daß du es wagst!“ sagte ich. „Daß ich was wage?“ fragte Asbjörn. „In diesem Verkehr zu fahren! Ich würde durchdrehen!“
„Ja, der Verkehr in Frankfurt ist schlimm. Aber jetzt kenne ich die Stadt einigermaßen, da schaffe ich es.“
Mir gingen die Augen über. Trotz meinen Reisen war ich fast niemals in einer Großstadt gewesen, und es prickelte mir vor Erregung unter der Haut.
So kamen wir zu unserer Pension. Ich konnte mich waschen und mir mein hübschestes Sommerkleid anziehen. Mein Herz klopfte. Gleich sollten wir den Film zu sehen bekommen. Unseren Film. Die Alpenrosen und die Hermeline, die Murmeltiere und das Matterhorn - und meine Lawine!
„Da sind Sie ja, Herr Grather! Es freut mich, Sie wiederzusehen! Bitte, Ihre Verlobte? Meine herzlichen Glückwünsche! Soso, man schickt Sie zum Arbeiten, und da verloben Sie sich. Nur ein Glück, daß wir Sie nicht nach Grönland entsandt haben. Sie sind also Fräulein Bonassi, und Sie haben die Listen so ausgezeichnet geführt? Wunderbar! Das wird uns beim Synchronisieren des Films sehr helfen. Wollen wir jetzt hineingehen und ihn uns ansehen? Nein, geschnitten ist er noch nicht, wir haben ihn nur nach und nach zusammengesetzt. Die letzten Filme habe ich, das muß ich zu meiner Schande gestehen, selber noch nicht einmal gesehen - hier entlang bitte; darf ich vorausgehen, Fräulein Bonassi?“
Direktor Feldmann war ein freundlicher, jovialer Mann. Gleich darauf saßen wir alle drei nebeneinander in einem langen, schmalen Raum mit einigen Stühlen und einer großen Leinwand am anderen Ende.
Mein Herz klopfte so stark, daß ich es hören konnte.
Da lag Villeverte vor mir - dort die Aiguille d’Or in der Vormittagssonne - Touristen, die angeseilt zur Silberhütte aufstiegen
- und dort, dort war unsere Hermelinfamilie. Nein, etwas so Fabelhaftes! Sie waren so weit entfernt gewesen, daß wir den Feldstecher hatten benutzen müssen - und nun hatte das Teleobjektiv sie so nah herangeholt, daß sie die ganze Leinwand ausfüllten! „Schade“, sagte der Direktor, als die Hermelinmutter und die Kleinen blitzartig verschwanden, „etwas muß sie erschreckt haben.“ Asbjörn war nett. Er erzählte nicht, daß ich aufgeschrien hatte.
Weiter lief der Film, und ich saß, Mund und Augen aufgesperrt, und sah alle Bilder an mir vorbeiziehen, an deren Aufnahmen ich mitgewirkt hatte. Aber was in aller Welt war denn das? Ein Mädchen, das mit Händen und Füßen eine Felsspalte hinaufkletterte - liebste Zeit! - das war ja ich selber!
„Du alter Schuft!“ flüsterte ich Asbjörn zu. Dann kamen die Aufnahmen von den Alpenrosen. Sie waren gelungen. Die blaßrosa Knospen wuchsen, öffneten sich, eine nach der anderen, dort zwei gleichzeitig - sie entfalteten sich zu Blüten, zu großen, leuchtend roten Blumen - und dann war Schluß.
„Aber.“, begann ich.
„Das war die Arbeit einer Woche“, erklärte Asbjörn.
„Sehr schön, Herr Grather. Wirklich schön“, sagte Feldmann. Er lehnte sich zurück und machte sich Notizen.
Zermatt tauchte auf. Die Menschenschlange an der Bahn zum Gornergrat. Das
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