Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
Matterhorn. Richtig - und dort hatte Asbjörn das Objektiv ausgewechselt; jetzt holte sein längstes Teleobjektiv den Gipfel des Matterhorns ganz dicht an uns heran. Die Wolken näherten sich und zogen über den Gipfel hinweg. und da.
Da stürzte der Schnee über eine Felswand herab - wälzte sich langsamer voran, kroch geradezu über den Hang hinunter, man sah, wie der Schneestaub emporwehte und sich langsam wieder setzte. „Was zum Teufel.“, stieß Asbjörn leise hervor.
„Sag nichts! Das war ich!“ flüsterte ich ihm auf norwegisch zu. „Donnerwetter, Herr Grather, da hatten Sie aber Glück!“ sagte Feldmann. „Richtigen Dusel! Eine solche Lawine in einem Alpenfilm ist Gold wert!“
Asbjörn schluckte. „Ja - hm - das war tatsächlich ein glücklicher Zufall.“
Ich merkte, wie er mir das Gesicht zuwandte und mich einen Augenblick lang ansah. Dann drückte er fest meine Hand.
Auch der Adlerhorst war gut gelungen - selbst wenn ich erschauerte, als ich den großen Adler mit einem Murmeljungen, das noch zuckte, in den Fängen heranschweben sah.
Es blieben nur noch die Bernhardiner. Ich mußte auflachen, als ich mich selber wie eine kleine Puppe neben dem riesigen Barry stehen sah.
Der Film war zu Ende.
„Wirklich großartig, Herr Grather“, sagte Feldmann. „Und Ihre Lawine war einzigartig. Nun wollen wir mal sehen - einiges wäre zu schneiden, darüber reden wir noch - aber wenn Sie jetzt zurückreisen - ja richtig! Sie haben da eine hübsche Aufnahme von einem Maultierführer. So etwas ist nicht schlecht: Aufnahmen von Personen bringen immer etwas Abwechslung herein. Könnten Sie diese Szene nicht ausbauen? Eine etwas dramatische Entwicklung -vielleicht ein Krankentransport oder ähnliches? - Ein Mensch, der zu Schaden gekommen ist und auf dem Rücken eines Maultiers weggeschafft wird?“
„Das ließe sich machen“, antwortete Asbjörn. „Fräulein Bonassi hat bereits genau das gleiche vorgeschlagen.“
„Da, sehen Sie, die junge Dame hat den richtigen Blick dafür! Ausgezeichnet! Sie sollten immer wieder auf Laien hören, Herr Grather, das tue ich auch, denn unser Publikum besteht doch aus Laien. Dann wollen wir jetzt Ihre Aufzeichnungen durchgehen, und so bliebe noch die Sache mit dem Reklamefilm.“
Jetzt war der Augenblick gekommen, an dem ich mich verabschieden konnte. So sagte ich „Auf Wiedersehen“, versicherte Asbjörn, ich würde mich nicht überfahren lassen und auch sonst nichts Schlimmes anstellen, und wanderte allein, einen Plan von Frankfurt in meiner Tasche, in die Stadt hinein.
Im übrigen wanderte ich nicht sehr lange, sondern nur bis zum nächsten Taxistand, und dann fuhr ich zu Frau Elsbeth von Krohn.
Eine alte, schöne Villa am Rand der Stadt, in einer friedlichen Straße mit hohen Linden. Als ich an der Tür klingelte, war Hundegebell zu hören, und als sie geöffnet wurde, stürzte ein kleiner brauner Dackel heraus und meldete mit lautem Gekläff meine Ankunft an.
„Schon gut, Hundchen, nur mit der Ruhe!“ Ich beugte mich nieder, streichelte das weiche Fell, und der Hund beruhigte sich.
„Verzeihung“, sagte eine Stimme, „ich hatte nicht bemerkt, daß Dotty frei war.“
Ein Hausmädchen in Schwarz und Weiß stand vor mir, und ich nannte meinen Namen.
„Ach, Fräulein Bonassi - ja, die gnädige Frau hat bereits Bescheid gesagt. Bitte, gnädiges Fräulein, ich melde Sie sogleich. Würden Sie bitte solange Platz nehmen!“
Hoppla! Nun hatte ich es auch schon zu einer Gnädigen gebracht! Die kleine Schneiderin Benny Bruland aus Heirevik war zu einem gnädigen Fräulein geworden, saß in einem geschnitzten alten Stuhl in einer großen Halle und kraulte einen aristokratischen Hund hinterm Ohr. „Die gnädige Frau läßt bitten!“ Immer feiner.
In einem großen, hellen Salon trat eine alte Dame auf mich zu. Eine kleine, schlanke, weißhaarige Dame, die sich auf einen Stock stützte.
„Wie liebenswürdig von Ihnen, daß Sie sich die Mühe gemacht haben, Fräulein Bonassi. Bitte, so setzen Sie sich doch. Ich bin sehr gespannt darauf, Ihre Geschichte von den Dieben zu hören.“
Sie lächelte ein junges, schalkhaftes Lächeln.
„Wissen Sie, man entwickelt mit der Zeit eine geradezu fürchterliche Neugier, wenn man so alt und so unbeweglich wird wie ich. Man kostet alle Sensationen aus.“ Sie wandte den Kopf und rief zu einer halbgeöffneten Tür hin: „Komm nur herein, Udo. Du darfst auch hier drin rauchen!“ Dann wandte sie sich wieder mir zu und
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