Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
erklärte:
„Mein Sohn wohnt augenblicklich bei mir, während seine Frau und seine Kinder noch in den Ferien sind. - Udo, das ist also Fräulein Bonassi aus dem Wallis.“
„Aus Norwegen, gnädige Frau“, warf ich ein, „um ganz genau zu sein.“
„Wie bitte? Aus Norwegen? Aber Sie sind doch.“
„Ja, ich bin Bernadette Bonassi und komme jetzt aus Villeverte, aber ich wohne in Norwegen und bin zur Hälfte Norwegerin.“
„Welche Sprache sollen wir denn da sprechen?“ fragte Udo von Kohn, ein hochgewachsener, gut aussehender Fünfzigjähriger. „Welche ist Ihnen am liebsten?“
„Französisch, Italienisch oder Norwegisch!“ lächelte ich.
„Mit Französisch stehen wir Ihnen zur Verfügung.“ Da war ich froh. Denn nun, da ich von dem Moosbüschel und den prallen Rucksäcken, dem vollgestopften Wagen und der ausgeplünderten Wohnung erzählen sollte, war es leichter für mich, nicht mehr bei jedem Satz an Nominativ, Dativ und Akkusativ denken zu müssen.
Beide hörten mir mit gespannten, interessierten Gesichtern zu. Und während ich erzählte, rollte das Stubenmädchen einen Kaffeetisch herein. Nach dem aufregenden Vormittag schmeckte der Kaffee herrlich.
Dann bekam ich den übrigen Teil der Geschichte zu hören. Wie die verhältnismäßig harmlose Stehlerei in Villeverte dazu geführt hatte, daß das ganze Auto gründlich durchsucht wurde. Dabei hatte man Schmuckstücke gefunden, die in den Polstern des Wagens eingenäht waren - Juwelen, die zum Teil schon seit Monaten vermißt wurden. Und das schönste von diesen Stücken war das Kollier, das Frau von Krohn gehörte.
„Glauben Sie nur nicht, diese Schurken wären Belgier“, sagte Herr von Krohh. „Das B auf dem Auto wechselte mit D und F und allen möglichen anderen ab; diese Leute hatten eine ganze Sammlung von Nummern- und Länderschildern und eine große Auswahl an Pässen. Aber daß sich ein paar so durchtriebene Existenzen überhaupt damit abgaben, eine kleine Ferienwohnung in einem Chalet zu plündern!“
„Vielleicht haben sie es aus Langeweile getan“, meinte Frau von Krohn. „In ihrem selbstgewählten Gefängnis war es ihnen wahrscheinlich zu eintönig. Aber jetzt sagen Sie mir, Fräulein Bonassi: Was darf ich für Sie tun?“ Ich mußte lächeln.
„Ich will doch keine Belohnung dafür haben, Frau von Krohn, daß ich ein Moosbüschel auf der Treppe entdeckt habe! Meine Belohnung bestand schon darin, daß wir das teuerste Objektiv meines Verlobten zurückerhielten, das sich auch unter den Sachen befand.“
„Ach, Sie sind verlobt. Mit einem Norweger?“
„Ja, aber er ist hier in Frankfurt angestellt, und wir werden hier wohnen. Er ist Kameramann beim Film.“
„Wie interessant! Und werden Sie bald heiraten?“
„Im Herbst. Wenn Sie mich also fragen, was mir die größte Freude bereiten könnte, so wäre es ein hübsches kleines Päckchen, mit einer Zweizimmerwohnung drin.“ Da wechselten Mutter und Sohn einen Blick. Herr von der Krohn stellte die Kaffeetasse ab und sah mich aufmerksam an.
„Sie sind auf der Jagd nach einer Wohnung? Und mit zwei Zimmern wäre Ihnen gedient?“
„Bestimmt. Aber wenn wir überhaupt etwas bekommen, so nehmen wir, was da ist, ob es nun ein Raum ist oder vier.“
„Wie lange werden Sie in Frankfurt bleiben, Fräulein Bonassi?“ „Ich glaube etwa eine Woche.“
„Kann ich Ihre Adresse bekommen? Und den Namen Ihres Verlobten?“
Ich nannte ihm beide, und er schrieb sie sich auf. Bestimmt sah ich aus wie ein lebendes Fragezeichen.
„Ich rufe Sie oder Ihren Verlobten morgen an“, versprach Herr von Krohn.
„Wo in aller Welt hast du denn gesteckt?“ fragte Asbjörn, als wir uns in unserer Pension wieder trafen. „Ich hatte schon Angst um dich
- ich glaube, ich hätte die Polizei angerufen, hätte es noch eine halbe Stunde länger gedauert!“
„Mein Geliebter, deine Worte legen sich wie Balsam auf meine wunde Seele!“ lachte ich und küßte ihn. Ich war strahlender Laune. „Wenn du wüßtest, was ich alles erlebt habe! Aber jetzt bin ich auch hungrig wie ein Wolf! Wie spät ist es denn? Was sagst du, vier Uhr? Wie ist das möglich?“
„So wie üblich: die Erde hat ihre Bahn um die Sonne fortgesetzt. Komm jetzt, du Ungeheuer, wir gehen in die Stadt und sehen zu, ob wir nicht noch irgendwo eine Bratkartoffel auftreiben!“
„Denkst du! Heute will ich fein essen, daß du es nur weißt!“
„Ja, dann komm. Aber bring erst dein Haar in Ordnung, du siehst so frisch
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