Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
schwebten hinauf und hinunter. Richtig, das hatte uns der Mönch auch erzählt, daß dies der am höchsten gelegene Sessellift Europas sei.
„Asbjörn, ich habe so schreckliche Lust, zur Chenalette hinaufzufahren. Wollen wir?“
„Hat denn das einen Sinn? Ich möchte mir lieber das Museum ansehen. Aber wenn du Lust hast, kannst du doch hinauffahren!“ Er sagte es ganz und gar nicht unfreundlich, nur sachlich.
„Ich will mir doch auch das Museum ansehen. Aber wir haben Zeit für beides. Wenn du willst, können wir gern zuerst ins Museum.“
Darauf antwortete er nicht, und so gingen wir ins Kloster hinein und verbrachten eine sehr interessante Stunde in dem kleinen Museum, wo man Vertreter des gesamten Bestandes von Kleintieren in den Alpen in Glaskästen ausgestopft antraf - dazu alle möglichen historischen Erinnerungen an Napoleon. Nicht zu reden von einem Kupferstich von Barry I. Barry III. war ausgestopft und stand in einem weiß getünchten Gang auf einem Brett.
Es war noch nicht zwölf Uhr, als wir wieder in den Sonnenschein hinaustraten. Die roten Sessel schwebten noch immer an der graugrünen Felswand entlang hinauf und zeichneten sich deutlich gegen den tiefblauen Himmel ab.
„Wir sollten jetzt machen, daß wir wegkommen“, sagte Asbjörn. „Wir haben noch eine lange Fahrt vor uns.“
„Aber. La Chenalette? Können wir nicht ganz einfach hinauffahren, uns einen Augenblick die Aussicht ansehen und dann wieder hinunter?“
„Das ist doch sinnlos, Bernadette. Hätten wir einen ganzen Tag für hier, dann herzlich gern. Aber jetzt müssen wir an den Aufbruch denken. Holst du deine Koffer, während ich die Filmsachen verstaue?“
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Ich konnte ihn zum Beispiel daran erinnern, daß wir zur Herfahrt nur wenig mehr als vier Stunden gebraucht hatten, obwohl wir das letzte Stück im Schneckentempo gefahren waren. Ich hätte ihm erklären können, daß wir noch massenhaft Zeit hatten, selbst wenn wir eine Stunde auf La Chenalette verwandten. Ich hätte wiederholen können, ich hätte solche Lust, auf diesen Gipfel zu fahren und in die italienischen Alpen hineinzublicken. Ach, es gab so viel, was ich hätte sagen können.
Statt dessen wandte ich mich um, ging ins Hotel und hinauf in mein Zimmer, suchte meine Sachen zusammen und kam wieder herunter.
Der Morgen war herrlich gewesen, und es war ein so strahlender Tag. Es war ein Erlebnis, diesen weltberühmten Hunden zu begegnen, sie zu streicheln, mit ihnen zu spielen und mit ihnen gefilmt zu werden.
Jetzt aber war alle Freude in mir erloschen.
Und wieder hörte ich Corinnes Stimme: „Ich habe das Gefühl, daß ich seine kleinen Freuden töte.“
Auch Asbjörn tötete meine kleinen harmlosen Freuden. Aber er ahnte es nicht. Er tötete sie und ging fröhlich weiter, so wie man weitergeht, wenn man ein Insekt auf dem Weg zertreten hat - man geht weiter, ohne Ahnung, getötet zu haben; man geht weiter, ist guter Laune und gut Freund mit dem lieben Gott, der Welt und mit sich selber, ahnt aber nicht, daß man ein kleines Leben unter der Schuhsohle zerdrückt hat.
Eine winzig kleine, törichte Freude.
Asbjörn startete den Wagen, und wir rollten in der glühenden Augustsonne durch die Kurven bergab.
Schüttele es ab, Bernadette, sagte ich. Du liebst Asbjörn, er liebt dich und ahnt nicht, daß er dir wehgetan hat - ein winziges bißchen weh - das Ganze ist eine Bagatelle, schüttele sie ab!
Aber, sagte eine andere Stimme in mir, er hat doch gewußt, daß du so große Lust darauf hast. Warum hat er da nein gesagt, ohne sich auch nur zu bedenken? Warum hat er nein gesagt, obwohl es keinen zwingenden Grund dafür gab? Ich wußte, daß ich niemals nein sagen würde, wenn es sich darum handelte, Asbjörn einen Wunsch zu erfüllen, solange es eine Möglichkeit gab, ja zu sagen.
Unsinn, Bernadette. Mach aus einer Mücke keinen Elefanten. Denk an etwas anderes! Richtig, ich hatte eine Idee, von der ich Asbjörn hatte sprechen wollen - sie sollte ihn eigentlich interessieren, denn sie hatte mit seiner Arbeit zu tun!
„Nun, Mäuschen! Du bist so schweigsam!“
„Ja, darf ich denn mit dir reden? Ich möchte dich nicht beim Fahren stören.“
„Sehr klug von dir, aber nun haben wir die schlimmsten Kurven hinter uns.“
„Weißt du, ich denke nach. Ich habe eine Idee!“
„Schon wieder? Pack aus!“
„Du hast doch die Maultiere von Franz gefilmt, nicht wahr?“
„Ja, ein paar Meter mit Maultieren habe ich, das
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