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Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Titel: Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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war einigermaßen ausgeruht, aber sehr schwach. Ich durfte eine Stunde an seinem Bett sitzen. Das leise Flüstergespräch, das wir hatten, gehört zu meinen schönsten Erinnerungen.
    Am Nachmittag wurde aus dem Krankenhaus bei mir angerufen.
    Es war vorüber.

7
     
     
    Ich saß wieder im Zug. Genau vor einer Woche war ich in der umgekehrten Richtung gefahren.
    Ich war schrecklich müde. Und doch: alles was ich in dieser Woche durchgemacht hatte, war rein gar nichts im Vergleich zu dem, was mir jetzt bevorstand.
    Ich hatte mit Anne-Grete telefoniert. Wir waren uns darin einig gewesen, daß Lisbeth das Begräbnis erspart werden sollte. Sie sollte nichts erfahren, ehe ich wieder da war. Ich war der einzige Mensch, der es ihr sagen konnte.
    Ich schloß die Augen und lehnte mich zurück. Glücklicherweise war ich allein im Abteil. Nichts störte mich. Meine beiden Unterredungen mit Georg – die Aufzeichnungen in dem kleinen Notizbuch – die Abrechnungen – Lisbeths Sparkassenbuch – und der Einblick, den ich in Georgs und Lisbeths Zusammenleben hatte tun können –, das alles vermittelte mir ein klares und lebendiges Bild von Georg – dem stillen, verschlossenen, bleichen Georg, an den niemand richtig hatte herankommen können.
    Er hatte eine kurze, aber glückliche Ehe gehabt. Nach knapp einem Jahr war Lisbeth geboren worden, und zwei Monate später war Lisbeths Mutter gestorben. Eine kurze Zeit wohnte Georgs Schwiegermutter bei ihm. Sie sorgte für Lisbeth und half im Haushalt. Dann hatte sie zu ihren Pflichten daheim zurückkehren müssen. Sie war Witwe und ernährte sich und ihre Tochter ziemlich kümmerlich mit Hilfe des kleinen Fremdenheimes, das sie in einer Stadt in Nordnorwegen nach dem Tode ihres Mannes aufgemacht hatte.
    Georgs ganzes Dasein wurde fortan dadurch bestimmt, daß er Lisbeths Vater war. Er stand sehr zeitig auf, wusch die Windeln, kochte Brei für Lisbeth, wusch und fütterte sie und brachte sie schließlich in den Kindergarten. Nach Geschäftsschluß holte er sie wieder ab, kochte wieder für sie, wusch wieder die Windeln, bereitete für sich selber Essen, säuberte den Fußboden, wischte Staub, räumte auf, wusch ab – der Tag verging, und erst tief in der Nacht war er fertig. Dann sank er todmüde ins Bett und schlief – so gut es eben ging. Denn Lisbeth hatte Leibschmerzen, und Lisbeth bekam Zähne. Um halb sechs am nächsten Morgen mußte er bereits auf den Beinen sein, und alles fing von vorne an.
    Lisbeth war ein paar Jahre alt, als Georg merkte, daß er krank war.
    Er hatte Fieber und Schwindelanfälle und einen lästigen, kratzenden Hustenreiz – es war kein richtiger, ehrlicher Husten, sondern ein trockenes, quälendes Hüsteln. Er verlor an Gewicht, wurde knochig und mager, und seine Augen bekamen einen krankhaften Glanz.
    Er nahm sich mächtig zusammen. Er zwang sich zum Essen, er nahm Tran, aß Obst, trank Milch, er schlief bei offenem Fenster, er studierte Zeitschriften und Broschüren über gesunde Lebensführung.
    Er siedelte aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer über und schlief auf dem Diwan. Als Lisbeth anfing, die kleinen Arme nach ihm auszustrecken, gewöhnte er sie daran, ihm die Hand zu drücken, anstatt ihn zu umarmen. Er wußte, daß der Auswurf eine starke Ansteckungsgefahr bedeutet. Aber Georg spuckte und hustete nicht. Er benutzte Papiertaschentücher, die er hinterher verbrannte. Er wusch sich unzählige Male im Laufe des Tages die Hände, und er gewöhnte Lisbeth an eine peinlich durchgeführte Reinlichkeit.
    Hin und wieder fühlte er sich besser und fing dann an zu hoffen, es wäre alles gar nicht so schlimm. Aber dann kamen wieder Zeiten, in denen er schwere Rückfälle erlitt – Wochen voller Fieber und Erschöpfung, Wochen, in denen er nachts in kaltem Schweiß lag und tagsüber nichts zu essen vermochte.
    Zu alledem kamen die kümmerlichen wirtschaftlichen Verhältnisse. Er verdiente nicht einmal besonders schlecht, aber er brachte jeden Monat größere Beträge für Lisbeth auf die Sparkasse. Hier hielt ich nun Lisbeths Sparkassenbuch in der Hand. Am Ersten und Fünfzehnten jeden Monats war Geld eingezahlt worden. Viel Geld in Anbetracht der Verhältnisse, in denen Georg lebte. Er sorgte dafür, daß Lisbeth, wenn auch einfach, so doch ordentlich gekleidet war. Was allerdings sein eigenes Aussehen betraf, so wurde er nach und nach gleichgültig.
    Er und Lisbeth lebten ganz für sich. Er hatte einfach nicht die Zeit dazu, irgendwelchen Verkehr zu

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