Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz
werden, und dabei erwarten sie noch, daß die Mutter stets ein Lächeln für sie hat und lieb und verständnisvoll zu ihnen ist.“
„Ich schäme mich, Heming.“
„Dazu hast du gar keine Veranlassung. Aber ist es für dich nicht ein Trost, wenn du daran denkst, wie gut du es im Vergleich zu anderen hast?“
„Doch“, sagte ich und versah Lisbeth mit Petersilienbutter.
Das Verhältnis zwischen Heming und mir war höchst eigenartig. Ich fühlte mich erwachsen und überlegen. Ich hatte viel gesehen, war viel in der Welt herumgekommen, verdiente gut, hatte ein gemütliches Heim und wüßte mich zu benehmen – wie Carl sagte. Aber Heming fühlte sich mir genauso überlegen. Wegen seiner Kenntnisse, seiner geistigen Fähigkeiten, seiner Muskelstärke, seiner Gesundheit, seiner Jugend und Arbeitskraft. Zwei Menschen, die sich beide einander überlegen fühlen, müssen notwendigerweise von Zeit zu Zeit zusammenprallen.
Aber im Grunde waren wir schrecklich gute Freunde.
13
Karl kam nach Oslo.
Diesmal kam er in einem verhältnismäßig günstigen Augenblick. Ich hatte die langweilige Arbeit gerade abgeliefert und ein recht ansehnliches Honorar dafür erhalten. Ich ruhte mich nun ein paar Tage richtig aus.
Heming war rührend. Er nahm Lisbeth auf einen Sonntagsausflug mit und blieb den ganzen Tag fort. Ich genoß die Stille, schlief ein paar Stunden und erledigte diese und jene Kleinigkeiten, für die ich in den letzten Wochen keine Zeit gefunden hatte.
Ich war daher richtig erfreut und in glänzender Stimmung, als Carl anrief. Er befand sich, wie gewöhnlich, auf einer Geschäftsreise. Zwei Tage in Oslo, ein paar Wochen in Stockholm, dann zurück nach Oslo, wo er sich mehrere Tage aufhalten wollte – um meinetwillen, wie er sagte.
Er wollte gern zu mir zum Essen kommen.
Wie gewöhnlich brachte er mir Konfekt mit und überreichte Lisbeth ein großes Paket. Es enthielt eine prachtvolle Puppe.
„Vielen Dank“, sagte Lisbeth und machte einen höflichen Knicks.
„Du bist nun wohl bald schon zu groß, um mit Puppen zu spielen“, sagte er. „O nein“, sagte Lisbeth höflich.
„In welche Klasse gehst du denn?“ fragte Carl.
„In die dritte“, antwortete Lisbeth, ohne mit der Wimper zu zucken.
Ich starrte sie verwundert an. Was sollte das bedeuten?
„Bist du schon so groß?“ sagte Carl, und weiter sagte er nichts.
Ich betrachtete sie forschend. In jedem ihrer Augenwinkel saß ein kleiner Schelm. Ich hätte beinahe laut aufgelacht.
Als ich vor dem Essen mit ihr ins Badezimmer ging, um mich zu überzeugen, ob sie sich auch ordentlich die Hände wüsche und das Haar kämmte, fragte ich sie, was sie sich eigentlich dabei gedacht hätte, Herrn Lövold so anzuschwindeln.
„Ich wollte bloß hören, was er sagen würde“, antwortete Lisbeth. „Er hat mich nun schon dreimal gefragt, in welche Klasse ich gehe. Warum fragt er eigentlich danach? Er hört ja doch nicht zu, wenn ich ihm antworte.“
Ich wurde rot. Lisbeth hatte ja recht.
„Trotzdem. Sc etwas tut man nicht, Lisbeth. Wenn er nun gemerkt hätte, daß du ihn zum Narren hieltest?“
„Darauf pfeife ich“, sagte Lisbeth.
Jetzt machte ich ein .strenges Gesicht.
„Diesen Ton verbitte ich mir, Lisbeth. Sei nicht obendrein noch frech!“
Lisbeth ging zu der Tür. Ihr Mund war trotzig verzogen.
„Wenn er das nächste Mal fragt, sage ich ,in die Untersekunda’!“ Sie schloß die Tür hinter sich – um eine ganze Kleinigkeit lauter, als notwendig gewesen wäre.
„Soll sie die ganze Zeit bei uns bleiben?“ fragte Carl auf englisch.
„Nein“, sagte ich. „Nach dem Essen geht sie zu einer kleinen Freundin.“
Da wurde Carl freundlich und versuchte, mit Lisbeth ein Gespräch anzuknüpfen. Er hatte damit wenig Glück. Seine Scherze hätten auf ein dreijähriges Kind vielleicht Eindruck gemacht. Aber Lisbeth war siebeneinhalb, und sie war es gewohnt, daß man mit ihr wie mit einem Erwachsenen sprach.
„Solches rohes Fleisch kannst du doch wohl nicht essen“, sagte er. „Bist du nicht zu klein dazu?“ Wir hatten Roastbeef – Ernas Paradestück.
„Nein“, sagte Lisbeth.
„Weißt du denn nicht, daß du im Magen Würmer bekommst, wenn du es ißt?“
„Dann habe ich sicher eine ganze Masse Würmer“, sagte Lisbeth. „Ich habe schon oft rohes Fleisch gegessen.“
„Merkst du nicht, wie es in deinem Magen kribbelt?“ Lisbeth murmelte etwas vor sich hin.
„Was sagst du? Du mußt deutlich reden, wenn man dich
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