Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz
Ernas Ausgehtagen pflegte ich in der Küche ein paar Spiegeleier zu essen, oder ich ging schnell mal in das kleine Restaurant an der nächsten Ecke und schlang irgend etwas hinunter.
Daß ich, wenn Erna nicht da war, die Pflicht hatte, mein kleines Mädchen, das mit fordernder Stimme „Ich habe Hunger!“ sagte, zufriedenzustellen – daran hatte ich nicht gedacht.
Essen kochen? Davon konnte nicht die Rede sein. Ich wusch Lisbeth das Gesicht und mir die Hände. Dann gingen wir in das kleine Restaurant. Lisbeth war munter und in bester Laune. Ihr kleiner Mund stand nicht eine Minute still. Ich war müde und erschöpft und sehr wenig dazu aufgelegt, ihre tausend Fragen zu beantworten.
Die Uhr zeigte sieben, als wir nach Hause kamen.
„Können wir nicht Ludo spielen, Steffi?“
„Ich habe wirklich keine Zeit, Lisbeth.“
Lisbeth antwortete zunächst nichts darauf. Sie setzte sich auf einen Stuhl, und bald darauf hörte ich das Klappern eines Würfels auf der Tischplatte. Ich wandte mich um. Lisbeth spielte mit sich selber Ludo.
Plötzlich seufzte sie. Dann sagte sie mit einer kleinen dünnen Stimme:
„Vater hatte am Abend immer Zeit.“
Ich schob die Korrekturbogen beiseite und setzte mich zu Lisbeth an den Tisch.
„Weißt du, Lisbeth, ich glaube, ich habe jetzt lange genug gearbeitet. Willst du die gelben Steine haben oder die blauen?“
Wir spielten Ludo, und Lisbeth gewann. Ich dachte mit Schrecken an meine Korrekturen. Ich hatte erst die Hälfte erledigt, und es waren betrüblich viele Fehler zu berichtigen.
Ich stand in der Küche und bestrich Kekse mit Butter. Lisbeth pflegte Milch und ein paar Kekse und etwas Obst zu bekommen, bevor sie sich schlafen legte.
Da klingelte es an der Wohnungstür.
Jetzt schreie ich bald, dachte ich. Ich schmeiße jeden raus, der mich stören will – ganz gleich, wer es ist! Es war Heming. Und ich warf ihn nicht hinaus.
Er schickte mich an meine Arbeit und übernahm das Bestreichen der Kekse. Er und Lisbeth aßen in der Küche. Ich hörte sie vergnügt plaudern und lachen.
Dann klapperte das Geschirr beim Abwaschen. Schließlich kam Heming herein, übernahm, ohne ein Wort zu sagen, die Hälfte der Korrekturbogen und fing an zu lesen.
Es planschte im Badezimmer, und es raschelte im Schlafzimmer. Dann ging die Tür auf, und eine kleine Puppe in blauem Flanell kam auf bloßen Füßen hereingetrappelt.
„Gute Nacht, Steffi!“
„Gute Nacht, mein Mäuschen. Du mußt mir nicht böse sein, weil ich so langweilig bin. Ich muß meine Arbeit fertig machen, weißt du?“
„Hast du so etwas Dummes schon mal gehört, Lisbeth?“ sagte Heming lachend. „Du solltest Steffi böse sein? Und dabei weißt du doch ganz genau, daß sie arbeitet, weil sie Geld verdienen muß, und das Geld braucht sie für Kekse und Milch und ein neues Kleid für die kleine Lisbeth! Hei hopp! Jetzt geht’s ins Bett!“
Im Galopp ging es ins Schlafzimmer. Ich hörte, wie Lisbeth, von Heming hochgehoben und fallengelassen, ins Bett plumpste und wie sie hellauf lachte.
„Nun mußt du aber schlafen, Prinzessin!“
„Mach das Licht aus, Heming!“
„Wie das gnädige Fräulein befiehlt. Gute Nacht, Lisbeth!“
„Gute Nacht, Heming!“
Wir arbeiteten schweigend bis halb elf. Da war das Ganze fix und fertig.
„Herzlichen Dank, Heming! Und nun bist du vielleicht so freundlich, mir zu sagen, weshalb du eigentlich gekommen bist. Doch wohl nicht, um Lisbeth zu Bett zu bringen und Korrektur zu lesen?“
„Natürlich nicht. Ich wollte dir nur sagen, daß ich von Montag an nach dem Abendessen keine Zeit mehr habe. Wir müssen unsere Stunden früher legen.“
„Das ist mir ebenso recht. Aber was ist los?“
„Ich habe Arbeit gefunden. Eine feine Arbeit, die feinste, die ich je gehabt habe. Nachtarbeit auf einer Zeitungsredaktion! Zweihundert Kronen im Monat! Noch nie in meinem Leben bin ich so reich gewesen. Dazu kommen noch die fünfzig im Monat von dir. Du siehst, ich bin schon beinahe Millionär!“
„Und die Arbeitszeit?“
„Von halb acht Uhr abends bis drei Uhr in der Frühe. Ist das nicht wundervoll? Da bleibt mir der ganze Tag zum Lernen und um mit dir zu arbeiten.“
„Und wann gedenkst du zu schlafen? Entschuldige, daß ich frage!“
„Von drei bis sieben, sonntags bis acht. Außerdem bin ich Samstags abend frei, denn am Sonntag erscheint ja keine Zeitung. Es wird schon gehen. Es handelt sich ja nicht um eine Ewigkeit, sondern nur um ein paar Monate. Warte nur bis zum
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