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Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Titel: Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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mich schnell meines Mantels und Huts und eilte zu Lisbeth.
    Sie stöhnte leise. Ihre Wangen und ihre Stirn waren stark gerötet.
    „Kleine Lisbeth – bist du krank?“
    Lisbeth versuchte zu antworten, brachte aber keinen Ton hervor. Sie erbrach sich so heftig, daß das ganze Bett beschmutzt wurde.
    Beinahe wäre ich ihrem Beispiel gefolgt; aber zum Glück konnte ich den Drang gerade noch unterdrücken. Ich wollte Erna rufen, unterließ es aber. Wenn es nun wirklich Scharlach war – und wenn Erna ihn noch nicht gehabt hätte…!
    Ich bezog das Bett frisch und wusch Lisbeth. Dann maß ich die Temperatur. 39,8!
    Zwanzig Minuten später war der Arzt da!
    Er blickte ihr in den Hals, zählte ihre Pulsschläge, untersuchte ihren kleinen Körper, um sich zu überzeugen, ob sich schon Ausschlag zeige.
    „Es ist höchstwahrscheinlich Scharlach“, meinte er. „Ich werde morgen vormittag wiederkommen. Wir müssen sie ins Krankenhaus bringen, wenn…“
    „Nein, Herr Doktor! Nein! Nehmen Sie sie mir nicht fort! Ist es gesetzlicher Zwang? Muß ein an Scharlach erkranktes Kind ins Krankenhaus?“
    „Nein – “ sagte der Doktor. „Haben Sie selber Scharlach gehabt?“
    „Ja.“
    „Dann können Sie sie pflegen – vorausgesetzt natürlich – “
    „Ich werde sie so gewissenhaft pflegen, wie es überhaupt nur möglich ist, Herr Doktor.“
    „Gut. Wir werden sehen. Haben wir Glück, so ist es gar kein Scharlach. Also, wie gesagt: ich komme morgen wieder.“
    Die Temperatur stieg. Das Erbrechen wiederholte sich. Lisbeth jammerte die ganze Nacht. Ich kam nicht aus meinen Kleidern.
    Ich hatte Erna fortgeschickt. Sie hatte eine Schwester, bei der sie sein konnte. Erna hatte noch nie Scharlach gehabt.
    In den frühen Morgenstunden klagte Lisbeth, sie schwitze fürchterlich. Ich schlug die Decke zurück, zog ihr den verschwitzten Schlafanzug aus, rieb sie trocken und zog ihr einen frischen Schlafanzug an.
    Im Schein der Nachtlampe sah ich die kleinen roten Punkte dicht an dicht auf den Schenkeln und dem Unterleib.
    Kleine Lisbeth! Mein liebes, kleines Mädchen!
    Ich maß aufs neue die Temperatur. Lisbeth lag im Halbschlaf und merkte es nicht. Über vierzig!
    Auf einmal fühlte ich mich so allein – so grenzenlos allein, so verzweifelt, so hilflos. Wenn doch nur Carl in der Stadt gewesen wäre!
    Carl? Was würde Carl wohl gesagt haben? „Schicke sie sofort ins Krankenhaus! Du darfst dich nicht übernehmen! Du mußt an dich selber denken! Schicke sie sofort weg! Ich bezahle.“
    Ganz plötzlich wurde mir klar, was ich bisher nicht gesehen hatte, nicht hatte sehen wollen: Carl war ein grenzenloser Egoist. Hätte er mich wirklich liebgehabt, dann wäre Lisbeth kein Hindernis gewesen. Dann hätte er gesagt: „Lisbeth! Willst du mit Steffi zu mir kommen und bei mir wohnen? Glaubst du nicht, du könntest auch mein kleines Mädchen werden?“
    Aber etwas dergleichen war ihm auch nicht einen Augenblick in den Sinn gekommen.
    Nie hatte ich das so klar erkannt wie in dieser qualvollen, einsamen Nacht.
    Hatte er mich überhaupt lieb? Nein! Wenn er sich um mich bemühte, so veranlaßte ihn dazu nur seine Eitelkeit. Er wollte eine gut aussehende Frau haben. Hatte Frau Rawen nicht erzählt, seine erste Frau habe es nicht verstanden, aus sich „etwas zu machen“?
    Carl wollte eine Frau haben, die französisch und englisch sprechen konnte, die repräsentieren konnte und „eine gute Figur machte“, wenn sie sich einen Hermelinumhang über die Schultern hängte.
    Ja! Das war es, was er brauchte! Und er verstand es, jemand, den er nicht gebrauchen konnte, loszuwerden: seine erste Frau, seine kleine Tochter – und jetzt Lisbeth!
    Nein! Nein! Tausendmal nein! Niemals sollte es Carl gelingen, Lisbeth von mir zu trennen! Was war seine vornehme Villa, sein elegantes Auto, sein Haus in den Bergen, seine Besitzung am Meer – was waren seine Reisen durch Europa, die schönen Kleider und Hüte, die ich mir in Paris kaufen sollte – welchen Wert hatte das alles im Vergleich zu einem warmherzigen, lebendigen kleinen Mädchen, das zwei weiche Arme um meinen Hals legen und mit einer hellen, freudigen Stimme sagen konnte:
    „Ich habe dich so lieb, Steffi!“
    Kleine Lisbeth – kleine treue Kameradin, die mich nie verraten würde – mein ehrliches, trotziges kleines Mädchen – daß ich auch nur eine Sekunde daran denken konnte, dich fortzuschicken!
    Ach! Ich war so allein – so voller Angst – so klein und hilflos! Wo war mein Selbstvertrauen

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