Brausepulver für den Papst
Bewusstsein. Erschrocken blinzelte er in eine Glühbirne, die von der niedrigen Decke hing. Plötzlich wusste er, wo er war. Alles fiel ihm wieder ein, die toten Flüchtlinge, die Fahrt zum Löwentempel, das Verhör. Die Folter war also noch nicht zu Ende. Justin sackte das Herz in die Hose.
»Nun, Mr. Forsythe, fühlen Sie sich wieder besser?«
Das war die Stimme von Mustafa Ibn Walid. Justin erkannte sie sofort, obwohl sie irgendwie anders klang, als er sie in Erinnerung hatte. Freundlicher, ja fast besorgt. Das war bestimmt ein mieser Trick, um ihn einzulullen.
»Was wollen Sie noch von mir? Ich habe Ihnen alles gesagt!«, rief Justin und rutschte vorsichtshalber an die Wand.
Mustafa Ibn Walids Stimme blieb so weich wie ein Schmusekissen. »Das weiß ich doch, Verehrtester. Darum bin ich ja hier, weil Ihre Mithilfe eine Belohnung verdient.«
Belohnung? Das schürte Justins Misstrauen. Was sollte das für eine Belohnung sein? Noch mehr Hirschhornkäfer? Oder Schlimmeres? Wasserfolter? Elektroschocks? Wäscheklammern? »Ich will keine Belohnung«, krächzte er. »Ich habe nur meine Pflicht als guter Bürger erfüllt.«
»Sie haben viel mehr getan, mein Bester!«, behauptete Mustafa. »Dank Ihrer Aussage konnten wir endlich den berüchtigten Terroristen Lucky Luke festnehmen. Ich weiß das zu würdigen. Deshalb werde ich mich so bedanken, wie es unter Freunden üblich ist. Das sind wir doch, Justin, gute Freunde, nicht wahr?«
»Äh …« Jetzt bekam es Justin richtig mit der Angst zu tun. Ein grimmiger Polizeichef war bedrohlich, aber einschätzbar. Ein freundlicher Polizeichef war lebensgefährlich.
Hier komme ich nicht mehr raus!,
erkannte Justin entsetzt.
Ach, Fiona, du wirst nie erfahren, was aus mir geworden ist.
Da hörte er Mustafa sagen: »In unserem Land bekommt jeder gute Staatsbürger für sachdienliche Hinweise eine Belohnung. Aber Geld erhält keine Freundschaft, mein lieber Justin. Das meinen Sie doch auch?«
Justin brachte kein Wort heraus. Seine Kehle war so ausgetrocknet wie nach einem Dauerlauf durch die Wüste.
»Ich sehe, wir sind einer Meinung«, nickte Mustafa und trat vor die Pritsche. Justin drückte sich angstschlotternd an die Wand. Er fühlte sein letztes Stündlein gekommen. Vor ihm stand Mustafa, Furcht einflößend wie der Leibhaftige, eingehüllt in einen langen Umhang, unter dem sich viel verbergen ließ. Doch statt eines Messers zog Mustafa ein Päckchen hervor und legte es behutsam auf das löcherige Kopfkissen.
»Diese Belohnung wird das Band der Freundschaft zwischen uns festigen«, verkündete er. Um seine roten Lippen spielte ein verheißungsvolles Lächeln. »Ich hoffe, ich habe Ihren Geschmack getroffen, lieber Freund.«
Justin starrte auf das Päckchen. Es war in grobes braunes Papier gewickelt, oben drauf klebte ein rotes Herz. Ein weiteres Insektenmonster? Justin wagte nicht, das Ding anzurühren.
»So machen Sie es doch auf!« Mustafa beugte sich erwartungsvoll vor.
Justin nahm seinen ganzen Mut zusammen. Viel war das nicht mehr. Mit zitternden Fingern löste er das Herz und schlug das Papier auseinander. Was er sah, verschlug ihm endgültig die Sprache.
»Nun?«, drängte Mustafa ungeduldig. »Ich hoffe, es gefällt Ihnen. Ich habe es extra per UPS aus Kairo für Sie einfliegen lassen. Im hiesigen Basar kann man so was Exquisites nämlich nicht kaufen.«
»Aha«, würgte Justin hervor und überlegte fieberhaft, was er von diesem Geschenk halten sollte.
»Machen Sie mir die Freude und ziehen Sie es an«, bat Mustafa und setzte sich neben Justin.
»Sie meinen, ich soll …«
Mustafa nickte bekräftigend. »Ja, unbedingt! Blau ist doch Ihre Lieblingsfarbe, nicht wahr?«
»Äh … ja, schon, aber …« Justin starrte wieder auf die blaue Seide. Vor ihm lag ein Bauchtanzkostüm, komplett mit Schleier, Pluderhose und flitterbehangenem Büstenhalter, Körbchengröße 0. Justin wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte ja schon viel mitgemacht, aber so etwas war ihm noch nie passiert.
Was soll's?,
dachte er schließlich.
Sieht ja keiner.
Er zog Hemd und Hose aus, Stiefel hatte er keine mehr. Dann hielt er unschlüssig inne, aber Mustafas erwartungsvolle Miene ließen keine Verschnaufpause zu. Justin seufzte ergeben und schlüpfte in das Kostüm. Die Pluderhose passte wie angegossen, der paillettenbesetzte Gürtel schmiegte sich unterhalb des Bauchnabels um seine Hüften. Auch das knappe Oberteil saß wie maßgeschneidert.
Mustafa wedelte mit der Hand
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