Braut der Nacht
Nähe gekommen, was ihr kalter Blick bewies, der auf meinen nackten Schultern landete.
»Ich nehme an, du hast dich fortgestohlen, um zu versuchen, diesen Jungen zu treffen«, sagte sie. »Bobby…«
Also haben sie meinen Anruf belauscht. Das überraschte mich nicht. Nach der Art zu schließen, mit der mich die Sammlerin musterte, hätte ich vermutlich so tun sollen, als täte es das.
Aber meine Nerven lagen zu blank, zu dicht an der Oberfläche, als dass ich meine Reaktionen so weit unter Kontrolle hätte, einen falschen Eindruck zu erwecken.
»Also dieser Bobby, ist er ein Gestaltwandler?« Sie trat näher. »Ich würde ihn sehr gerne kennenlernen, falls er einer ist. Ich könnte mich sehr großzügig zeigen, falls jemand einen funktionstüchtigen Gestaltwandler für mich fangen würde.«
Ihre Augen waren schwarz geworden, und ich sah zur Seite. Sie hatte mich schon einmal mit einem bloßen Blick in ihre Augen verhext. Ich würde ihr nicht die Gelegenheit geben, das noch einmal zu tun. Kann sie mich dazu zwingen, andere Shifter an sie zu verraten? Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter.
Das durfte ich nicht zulassen. Und das würde ich auch nicht.
Sie machte eine kleine Bewegung aus dem Handgelenk, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Wo triffst du dich mit deinem Freund?«
Ich zuckte mit den Schultern, ohne aufzublicken, um ihren Augen nicht zu begegnen. Dennoch wurde mein Blickfeld dunkel. Eine erstickende Gegenwart senkte sich in der Finsternis schwer auf mich herab.
»Beantworte meine Fragen wahrheitsgemäß«, ertönte ihre körperlose Stimme aus der Dunkelheit. »Wo triffst du dich mit deinem Freund?«
»Ich weiß es nicht«, hörte ich mich selbst antworten, obwohl ich nicht vorgehabt hatte, etwas zu sagen.
»Wie wirst du ihn dann finden?«, fragte sie weiter.
Ich biss mir heftig auf die Lippen und konzentrierte mich darauf, nichts zu sagen.
Missbilligend schnalzte sie mit der Zunge. »Antworte mir!«
»Durch eine gemeinsame Freundin.«
»Ist diese Freundin ein Gestaltwandler?«
»Nein.«
»Was ist sie?«
»Sie ist eine Gelehrte.« Ich klopfte mir innerlich dafür auf die Schulter, dass ich mich hatte zurückhalten können, Magierin zu sagen.
»Und wo ist diese Gelehrte?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wie willst du sie dann finden?«
»Ich werde sie anrufen.«
»Wie lautet ihre Telefonnummer?«
»Ich weiß es nicht.«
Die Dunkelheit, die mich umgab, knisterte vor Verärgerung, und ein gequälter Laut entschlüpfte der Kehle der Sammlerin. »Was weißt du denn überhaupt?«
Oh, eine unbestimmte Frage. »Ich weiß, dass Sonnenlicht das Gehirn dazu veranlasst, Glückshormone auszuschütten, deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass ältere Vampire aufgrund von Lichtentzug griesgrämig werden.«
Die Dunkelheit um mich herum verschwand mit einem Schlag, und die Straße rückte wieder ins Bild. Verwirrt wankte ich ein wenig. Der eisige– und absolut unerfreute– Blick der Sammlerin beherrschte mein Gesichtsfeld. Meine Hand schmerzte, und mir wurde bewusst, dass Nathanial meine Finger mit eisenhartem Griff umklammerte. Ich sah auf unsere Hände hinunter. Wann hat er denn …? Verdammt, was machte das schon für einen Unterschied?
»Du bist ein äußerst frustrierendes Geschöpf«, schnauzte die Sammlerin mich an. Dann drehte sie sich um. »Jomar! Wo bleiben die Limousinen?«
Der Bodyguard mit dem verkniffenen Gesicht trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. »Da scheint es ein Problem zu geben, Herrin. Einer der Fahrer ist verschwunden. Ich habe nach einem anderen schicken lassen. Aber bis dahin haben wir nur einen einzigen Wagen.«
Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht sehen, aber sie musste grimmig aussehen, da Jomar rückwärts stolperte. Er knurrte etwas in sein Handy.
Nathanial nahm meine Hand und führte mich ein paar Schritte fort. Als wir mehrere Meter von den anderen Vampiren entfernt waren, legte er mir den Arm um die Taille und zog mich an seine Brust.
Ich versteifte mich. »Nathanial, ich…«
»Schhh, Kätzchen. Hör mir zu«, flüsterte er. Seine Lippen waren so nahe, dass sie mein Ohr streiften, dennoch hörte ich ihn kaum.
Und wenn ich ihn nur mit Mühe hören konnte– dann konnte es sonst niemand. Ich schmiegte mich an seine Brust, woraufhin er einen Seufzer ausstieß, als habe er erwartet, dass ich mich sträuben würde. Ich runzelte die Stirn. Das war nicht das erste Mal, dass er überrascht reagierte, wenn ich mich nicht gegen ihn wehrte.
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