Braut der Nacht
an den Dochten der vielen im Zimmer verteilten Kerzen zum Leben. Ich fuhr zusammen und musste in dem plötzlich gleißenden Licht blinzeln.
»Ihr habt Zimmer hier«, sagte Tatius, als er zur Tür hereinspazierte. »Die Dämmerung braucht euch nicht zu beunruhigen.«
Mit einer geschmeidigen Bewegung ließ er sich auf dem Sessel gegenüber von uns nieder, dann legte er eines seiner in Leder gekleideten Beine über die Armlehne. Nuri folgte ihm. Sie setzte sich kerzengerade auf ihren Sessel, ohne sich an die Polster zu lehnen.
Stille erfüllte den Raum, abgesehen von dem leichten Knistern der Kerzen. Ich hielt den Atem an und zwang mein rasendes Herz, langsamer zu schlagen, um die Stille nicht zu stören oder Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Nathanial lehnte sich zurück, den Arm auf der Rückenlehne des Sofas ausgestreckt und so gebeugt, dass seine Finger leicht auf meiner Schulter ruhten. Er sah entspannt aus, doch die ausdruckslose Maske hatte sich wieder über seine Züge gelegt.
»Du hast uns herzitiert?«, fragte er. Die Worte waren so beiläufig, als erwähne er ein aktuelles Sportergebnis oder unbedeutendes kürzliches Ereignis.
Tatius legte den Kopf schief, sodass die gegelten Spitzen seiner blauen Haare um sein Gesicht wippten. »Ich habe sie herzitiert, Eremit. Nur sie. Du bist hier aus Gefälligkeit, weil du ihr Erzeuger bist.«
Ich zuckte zusammen. Ich konnte nicht anders. Tatius jagte mir einfach eine Heidenangst ein. Ich war in einer Gesellschaft von Raubtieren aufgewachsen, und ganz egal, wie oft mir gesagt worden war, dass ich eines Tages Torin, das Clanoberhaupt werden würde, war mir in meinen kleinen Kätzchenkörper eingehämmert worden, dass das größte Raubtier die Entscheidungen fällte. Tatius war bei Weitem das oberste Raubtier im Raum.
»Du hast eine Leiche gefunden«, sagte er in täuschend munterem Tonfall.
Ich nickte. Er wusste, dass ich das hatte. Er war dabei gewesen. Alle waren dabei gewesen.
»Worte, Kita. Es sei denn, dir hat– wie man so schön sagt– eine Katze die Zunge gestohlen.« Er lachte über seinen eigenen Witz, und ich biss die Zähne zusammen. »Warum hast du die Leiche angefasst?«
»Ich roch das Blut«, antwortete ich, und Nuri nickte.
Das vorpubertäre Ratsmitglied starrte mich an. Sie beobachtete und lauschte nicht einfach nur, sondern musterte mich, als könnte sie Geheimnisse unter meiner Haut lesen. Ich verlagerte mein Gewicht auf dem Sofa und veränderte meine Sitzhaltung.
»Also bevor du das Blut gerochen hast, ist dir da irgendetwas Ungewöhnliches an ihr aufgefallen? Hast du sonst irgendjemanden in der Nähe der Leiche gesehen?«
Ich schüttelte den Kopf.
Missbilligend sah Tatius mich an. »Ich brauche deine Worte. Sprich!«
Okay … weil das hier ja überhaupt nicht seltsam ist oder so was. Ich warf einen Blick von ihm zu Nuri. Sie beobachtete mich immer noch mit derselben Eindringlichkeit, während sie kerzengerade auf der Kante ihres Stuhls saß.
Ich räusperte mich. »Mir war nichts Bemerkenswertes aufgefallen, außer dass die Couch zum größten Teil frei war. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand in ihrer Nähe gewesen wäre.«
Tatius sah Nuri an, und sie nickte. »Alles die Wahrheit«, sagte sie.
Ich bedachte sie mit einem Stirnrunzeln, doch sie starrte mich weiter an. Ihre übermäßig geweiteten Pupillen nahmen ihre ganze Iris ein. Ich schluckte heftig.
Eine Vampirfähigkeit– das musste es sein. Ich wandte den Blick ab.
»Warum warst du allein auf der Couch? Warum warst du nicht bei deinem Meister?«, fragte Tatius.
»Ich brauchte… frische Luft«, antwortete ich, worauf Nuri mich skeptisch ansah.
»Wahrheit«, sagte sie, doch Verblüffung ließ ihre Stimme das einzelne Wort in eine Frage verwandeln.
Tatius schnaubte leise und schwang sein Bein wieder von der Armlehne. »Frische Luft.« Kopfschüttelnd stützte er die Ellbogen auf die Knie und beugte sich vor. »Du hast dir ein Versteck gesucht, weil du hungrig warst. Du bist dem Geruch von Blut gefolgt, weil du hungrig warst. Und jetzt sitzt du vor mir, immer noch hungrig.«
Nathanials Finger umfassten meine Schulter fester. Eine Warnung? Ich konnte nichts von dem leugnen, was Tatius gesagt hatte, deshalb antwortete ich nicht. Nach einem kurzen Moment ließ Tatius’ Blick von mir ab, um sich Nathanial zuzuwenden.
»Ich hatte dir befohlen, deine Gefährtin zu ernähren. Konntest du keine angemessene Mahlzeit für sie finden?«
Nathanials Arm hinter meinem Kopf
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