Braut der Nacht
an. »Es ist eine Schande, dieser Ungehorsam in deinem Blutstock, Sammlerin. Du solltest deine Leute ausführlicher befragen. Meine Gefährtin…« Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah er mich an. Ich legte den Kopf leicht in den Nacken, um die Gerüche im Raum zu filtern, doch völlig unvorbereitet erwischte mich ein Gähnen. »…ist ziemlich erschöpft, wie du siehst. Die Dämmerung naht. Wir sollten diese Unterhaltung beenden, bevor wir uns zur Tagesruhe zurückziehen.«
Die Sammlerin nickte, doch ihr Blick ruhte weiter auf mir. Beobachtend. Analysierend. Ich hielt mir die Hand vor den Mund, um mein Gähnen zu verbergen, während ich in dem Wissen zurückstarrte, dass mein Gesicht zumindest im Augenblick nichts verriet, besonders kein Interesse. Ihren Blick zu erwidern, war wahrscheinlich nicht gerade respektvoll, aber ich hatte einen Großteil meines Lebens als Katze verbracht, und jede Katze überall auf der Welt war eine Meisterin darin, desinteressiert zu blicken. Ihre Unterlippe zuckte, als unterdrücke sie ein Herunterziehen der Mundwinkel oder irgendeinen anderen missbilligenden Ausdruck, dann wandte sie den Blick ab, und ich war entlassen.
»Das war eine wenig aufschlussreiche Untersuchung. Darf ich annehmen, dass du mich für den Verlust eines meiner Sammlerstücke entschädigen wirst?«, fragte sie mit täuschend gelangweilter Stimme, als könne sie kaum damit belästigt werden, Lunas Tod noch länger zu untersuchen.
»Natürlich.« Tatius zeigte ihr die Zähne, ohne zu lächeln. »Das heißt, wenn sich herausstellt, dass die Schuld bei meinen Leuten liegen sollte.«
Blinzelnd versuchte ich die Erschöpfung zu verdrängen, die sich plötzlich schwer über mich legte. Tatius hatte nicht gelogen, dass die Dämmerung nahte.
Zeit für brave Kätzchen, ins Körbchen zu huschen, schätze ich, ertönte Tatius’ Stimme in meinem Kopf.
»Entschuldigt uns«, sagte er laut und krümmte einen Finger, woraufhin sich ein weiblicher Vampir von der Wand löste. »Bring Kita in unsere Gemächer«, befahl er ihr, als sie das Zimmer halb durchquert hatte.
Ich versteifte mich bei den Worten. Unsere Gemächer?
»Ich…« Ich hatte keine Gelegenheit, den Satz zu Ende zu bringen, geschweige denn überhaupt richtig anzufangen. Meine Kiefer klappten zu und schnitten mir die Worte ab. Ich spürte, wie ein fremdes Lächeln über meine Lippen kroch, während mein Körper sich ohne mein Zutun bewegte. Na toll, eine maßgeschneiderte Katzen-Marionette.
Tatius beugte sich zu mir herab und drückte mir einen Kuss auf den Mund. Einen überraschend keuschen Kuss. Vielleicht machte Küssen einfach keinen Spaß, wenn man seinen Partner dabei kontrollierte– ähnlich wie wenn ein Teenager mit einem Spiegel knutschte.
Geh mit Samantha. Ich komme nach, sobald ich hier fertig bin. Und benutz deine Nase, wenn du an den Vampiren der Sammlerin vorbeigehst. Mit diesen Worten entließ er mich und drehte sich zu der Sammlerin um.
Ich warf einen Seitenblick zu Nathanial. Er sah mich an, und seine Maske verbarg alles perfekt, bis auf seine Augen. Und als der verlorene Blick aus diesen Augen meine traf, kniff er sie zusammen und sah fort. Ich wünschte, ich könnte meine Augen ebenfalls schließen. Die Vampire alle verschwinden lassen. Aber ich hatte meine Wahl getroffen und mein Wort gegeben. Nathanial und ich waren am Leben. Und ich schätzte, nun würde ich erfahren, wo genau Tatius’ und meine »Gemächer« lagen.
Unruhig tigerte ich im Hauptraum von Tatius’ unterirdischer Suite hin und her. Ich hatte keine Ahnung, ob ich mich immer noch irgendwo unterhalb des Death’s Angel befand, oder ob diese unterirdischen Gänge mich durch die halbe Stadt geführt hatten. Samantha hatte mir meine neuen »Gemächer« gezeigt, die wie die meisten anderen Zimmer an diesem Ort aus mit Stoff drapierten Steinwänden bestanden.
Die Morgendämmerung lastete auf mir und machte mir jeden Schritt schwerer, doch ich musste in Bewegung bleiben. Wenn ich stehen blieb, würde ich einschlafen. Ich werde noch zusammenbrechen, wenn ich mich nicht bald hinlege, dachte ich, aber der Gedanke klang in meinem Kopf wie Nathanials sanftes Tadeln. Natürlich nicht, als sende er es direkt in meinen Verstand wie Tatius, aber es klang wie etwas, das er sagen würde.
Ich zwang meine Beine, sich zu heben, meine Knie, sich zu beugen. Mitten in der Bewegung sank mir das Kinn auf die Brust, doch ich hob es erneut. Ich musste wirklich bald eine Stelle zum Schlafen
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