Braut der Nacht
Vampire hatten wenigstens einen Puls.
Ich bemerkte nicht, dass ich immer weiter zurückwich, bis ich gegen einen der anderen Sarkophage stieß.
»Sorry deswegen«, sagte Gil, trat mit einem strahlenden Lächeln auf ihn zu und streckte ihm freundlich die Hand entgegen. »Ich bin Gil, eine Stipendiatin aus Sabin. Das ist Kita.«
Argwöhnisch betrachtete der Leichnam ihre Finger, schob dann jedoch die Hände in die Hosentaschen seiner engen schwarzen Jeans. »Eine Sabinerin, was? Als ich das letzte Mal wach war, war es schon illegal, mit einem Nekromant auch nur zu reden.« Sein Blick wanderte an ihr vorbei und blieb auf mir haften. »Also, ein untotes Schätzchen. Echt super. Ist ’ne Weile her, dass ich eins gesehen hab.« Er schrieb ein schimmerndes Zeichen in die Luft, und Magie versuchte, wie ein kalter Wind durch meine Haut zu dringen.
Magie hatte sich noch nie zuvor kalt angefühlt.
Wütend funkelte ich ihn an. »Was immer du da gerade machst, hör auf damit!« Ich reckte mich zu voller Körpergröße. Zwar war ich immer noch gut einen Kopf kleiner als er, aber ich wollte nicht, dass er glaubte, ich würde ängstlich vor ihm kuschen. Feige Geschöpfe waren Beute. Ich nicht.
»Du bist ziemlich empfindlich für einen Vampir.« Er wandte sich wieder Gil zu und musterte sie mit abschätzigem Blick. »Du hast einen Vampir als Familiar?«
»Ich? Nein, ich habe sie nicht gezeichnet.«
Moment mal. Sagte er da gerade Familiar? So wie Spiritus familiaris, der helfende Schutzgeist einer Hexe? Ich trug zwar das Zeichen des Richters, aber das war das erste Mal, dass ich irgendetwas davon hörte, ein Schutzgeist zu sein.
Der Leichnam legte den Kopf schief. »Hat sich die Hohe Versammlung aufgelöst oder so?«
Gil schüttelte den Kopf. »Nein, sie ist immer noch die herrschende Macht in Sabin, und bevor du fragst, ja, Nekromantie ist immer noch illegal.«
»Was zum Teufel geht dann hier vor?« Er machte eine ausladende Geste, die Gil und mich mit einschloss. »Ich werde von einer Magie-Studentin aufgesucht, begleitet vom Vampir-Familiar eines anderen?«
»Nun ja…« Unbehaglich trat Gil von einem Fuß auf den anderen. »Du sollst uns einen Gefallen tun.«
Kapitel 10
W arte!«, rief Gil und rannte dem Toten nach, der mit langen Schritten über den Friedhofsrasen marschierte. »Du hast mich doch noch nicht einmal erklären lassen, was wir wollen! Wo willst du hin?«
Ich schlurfte hinter ihnen her. »Er ist ein wandelnder Leichnam, wo sollte er schon hin?«
Er blieb so abrupt stehen, dass ihm die kurzen roten Locken ums Gesicht wippten. »Zuerst einmal, meine kleine Miss Untot, bin ich ein lebender Toter, kein wandelnder Leichnam.« Er deutete schwungvoll auf die Grabsteine, die uns umgaben. »Wenn ich ein paar von diesen verfaulenden Typen um uns herum erwecke, dann hast du deine wandelnden Leichen. Aber ich? Ich bin aus eigener Macht beseelt. Kapiert?«
Er verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte mich an. »Und zweitens habe ich zwanzig Jahre geschlafen. Ich will mich ein wenig umgucken. Sehen, was sich geändert hat. Und bevor du fragst, nein, die Sterblichen werden überhaupt nichts bemerken. Sie sehen immer nur, was sie vor sich zu haben glauben. Das solltest du eigentlich wissen.« Dann drehte er sich zu Gil um. »Und drittens, es ist egal, was du willst, Schätzchen. Du kannst dir meine Dienste nicht leisten.«
Gils Gesicht lief rot an, aber sie streckte ihre Hand aus. Eine durchsichtige Kugel, nicht größer als ein Katzenspielzeug, schwebte über ihrer Handfläche, darin gefangen eine kleine Wolke aus bläulichem Dunst. »Ich habe das hier.«
»Ist das etwa das, was ich glaube?« Er beugte sich vor. »Wie kommt eine Stipendiatin zu einem Letzten Atemzug?«
»Ich habe ihn selbst eingefangen.« Gil brachte es fertig, gleichzeitig stolz und defensiv zu klingen.
»Ist er von jemandem, der eines natürlichen Todes gestorben ist?«
»Nein.« Sie scharrte mit den Füßen. »Wird das genügen?«
»Vielleicht.« Er spazierte zu einem frei stehenden Sarkophag und lehnte sich lässig dagegen. »Also, reden wir übers Geschäft. Was willst du?«
Gil zupfte an ihren Ärmeln. »Nun ja, wir brauchen Informationen von jemandem, der irgendwie gestorben ist.«
»Mm-hm, red weiter. Du willst also, dass ich einen Zombie mit intakter Erinnerung für dich erwecke? So was kostet. Wenn ich dafür nur einen unnatürlichen Letzten Atemzug nähme, würde ich die Preise ruinieren.« Er stieß sich von dem
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