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Braut der Nacht

Braut der Nacht

Titel: Braut der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kalayna Price
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öffnen?«
    Gil starrte auf ihre Gummistiefel und nickte.
    Na toll. Ich musterte das Schloss erneut. Selbst wenn ich mein Einbrecherwerkzeug bei mir hätte, würde mir das nichts nützen, da durch Gils vermurksten Zauber ein Teil des Schließmechanismus geschmolzen war. Leider tat das der Wirksamkeit des Schlosses keinen Abbruch, deshalb blieb mein Versuch, es mit roher Kraft aufzubrechen, erfolglos.
    Ich ließ das Schloss wieder fallen. »Keine Chance, dass wir da reinkommen. Bring mich zurück ins Death’s Angel .«
    »Es muss eine Möglichkeit geben.« Gil zupfte an ihren Ärmeln. »Ich habe schon die magischen Stolperdrähte ausgelöst. Wir müssen heute Nacht hineinkommen. Kannst du vielleicht das Tor aufbrechen?«
    Ich starrte sie an, blinzelte. »Ähm, nein.«
    Sie bedachte mich nur mit einem missbilligenden Blick, also stieß ich einen Seufzer aus und sah mir den Eingang des Mausoleums genauer an. Es war alt, die steinerne Fassade schwarz und verwittert, das eiserne Tor rot vor Rost. Ebenso wie die Scharniere– richtig alte Scharniere mit Drehbolzen.
    Vielleicht kann ich …
    Ich packte das Tor, stemmte die Knie dagegen und versuchte, es hochzuheben. Flüsternd wie trockenes Laub rieselten rote Rostflocken auf die steinernen Stufen, aber das schwere Tor hob sich aus den Angeln. Mit einer leichten Drehung setzte ich es schief wieder ab. Auf der anderen Seite hing es immer noch mit der Kette an der Mauer des Mausoleums fest, aber die Öffnung bei den Angeln war groß genug, dass Gil und ich uns hindurchzwängen konnten.
    »Ausgezeichnet!« Gil klatschte in die Hände und schlüpfte an mir vorbei. Sie sollte wirklich nicht so begeistert darüber aussehen, in eine Grabstätte einzubrechen. Vermutlich hätte ich sie bitten sollen, mir die ganze Sache zu erklären, aber ich war mir nicht sicher, ob ich es überhaupt wissen wollte. Nein, Sir, Herr Richter, Sir. Ich habe keine Ahnung, warum sie mich hierhergebracht hat.
    Im Innern der Grabstätte beherrschte ein Buntglasfenster mit der Darstellung eines Engels die der Tür gegenüberliegende Wand. Im schwachen Mondlicht, das hereinströmte, ließ Gil den Blick über die beiden Reihen aus Sarkophagen schweifen, die links und rechts die Wände säumten. Sie beschwor eine kleine violette Lichtkugel auf ihrer Handfläche herbei, die sanft funkelnd zu ihrer Schulter schwebte und zitternde Schatten durch die Grabstätte warf.
    Dann ging sie zu dem Sarkophag, der am nächsten lag, und die kleine Lichtkugel folgte ihr. »Das hier müsste er sein. Mach ihn auf.«
    Ich warf einen Blick auf die hundert Jahre alte Inschrift des Sarkophags. Bartholomew Mattholm.
    Bringen wir’s hinter uns. In der Nacht zuvor hatte ich den steinernen Deckel mühsam beiseiteschieben müssen. Heute Nacht war ich gut genährt, und als ich die Finger unter den Rand schob und zog, hob sich der Stein. Ich stemmte ihn gut dreißig Zentimeter hoch und spähte hinein. Eigentlich hatte ich erwartet, Knochen und Lumpen vorzufinden, doch im Innern des Sarkophags ruhte ein perfekt erhaltener Leichnam auf vermoderndem Leinen. Ein Schopf leuchtend rotblonder Locken umrahmte die kräftigen, maskulinen Züge eines Mannes, der etwa mit Anfang dreißig gestorben sein musste. Er sah aus, als schlafe er vielleicht nur, aber mein Hunger reagierte nicht auf ihn– sein Herz schlug nicht. Tot, und wenig appetitlich.
    »Nun?«, fragte Gil, die hinter mir ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat.
    »Er sieht jedenfalls nicht schlecht aus für jemanden, der schon über hundert Jahre tot ist.«
    Der Leichnam öffnete ein blaues Augenpaar. »Oh, vielen Dank! Ich galt früher als ziemlich gut aussehend.«
    Jäh fuhr ich zurück und ließ den Sarkophagdeckel fallen. Was für ein mondverfluchter …?
    Der Sarkophag bebte. Dann glitt die große Granitplatte weit genug zur Seite, dass der Leichnam herauskrabbeln konnte.
    »Na, das war ja ganz schön link«, sagte er, während er sich Grabesstaub von der Jeansjacke bürstete. »Erst weckst du mich auf, und dann lässt du mir einen riesigen Steinbrocken auf den Kopf fallen? Hast du denn keine Kinderstube?«
    Ich starrte ihn an. »Aber… du bist tot!«
    Der Leichnam sah mich mit funkelnden blauen Augen an. »Ich glaube, du bist auch nicht gerade jemand, der andere aufgrund von Sterblichkeit diskriminieren sollte, Schätzchen.«
    Okay, damit hatte er nicht ganz unrecht. Aber… er hatte keinen Herzschlag. Keine Wärme. Er war tot.
    Richtig tot. Also um einiges toter als ich.

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