Braut der Nacht
um.
Ich ging hinüber zu den Fenstern, doch der Geruch wurde schwächer, während ich mich bewegte. Also schlich ich wieder zurück und zu einer Tür, die weiter ins Innere des Hauses führte. Nathanial folgte mir mit lautlosen Schritten.
Im Gang wurde der Geruch stärker, und ich schlich bis ganz ans Ende des Korridors. War der Geruch vorhin auch schon da gewesen? Als ich nach dem Türknauf griff, packte Nathanial mich am Handgelenk. Er hielt sich einen Finger vor die Lippen und trat an mir vorbei, bevor er die Tür aufstieß.
Der Raum dahinter war dunkel. Laken bedeckten die Möbel zum Schutz vor Staub, aber die Luft war nicht abgestanden. Ein leichter Luftzug ließ die Vorhänge flattern. Ein offenes Fenster? Mitten im Winter? Im geheimen Haus eines Vampirs?
Ziemlich unwahrscheinlich.
Nathanial durchquerte das Zimmer in weniger als einem Herzschlag. Als mein Blick ihn einholte, riss er gerade etwas unter einem grauen Laken hervor. Nein, nicht etwas. Jemanden.
Nathanial hob den viel größeren Mann am Kragen seines Mantels hoch und schleuderte ihn mit dem Rücken hart genug gegen die Wand, dass zwei gerahmte Fotos krachend zu Boden fielen. Seine Fangzähne blitzten im Licht der Straßenlaterne auf, das durchs schmutzige Fenster hereinfiel, als er den Kopf des Mannes in den Nacken zog und zum Biss ansetzte.
»Nathanial, nicht!« Ich sauste durchs Zimmer. Nathanial ernährte sich von Kriminellen, und als solchen konnte man diesen Mann zweifellos bezeichnen, da er gerade in Nathanials Haus eingebrochen war. Aber er war nicht einfach nur ein zufälliger Einbrecher. Ich kannte ihn.
Meine heile Hand landete auf Nathanials Schulter. Er hatte die Haut bereits durchbohrt, ich konnte das Blut riechen. Aber unter meinen Fingern spürte ich, wie die Anspannung von ihm wich. Er hob den Kopf und starrte den Mann, den er immer noch an die Wand drückte, wütend an.
Der Clanlose roch nach Schweiß und Angst, und das Summen von Energie, das die Luft erfüllte, verriet, dass sein Wolf dicht unter der Oberfläche lauerte. Aber er lächelte Nathanial an, ein schiefes Lächeln durch die Narben, die seine rechte Wange brandmarkten.
»Ich erkenne dich wieder«, sagte er, während er sich an den Hals fasste, der keine Wunde aufwies– Nathanial hatte den Biss wieder versiegelt. »Das dürfte eine Menge erklären.« Sein Blick wanderte zu mir. »Ah, mein rätselhafter Dyre. Ich hätte mir denken können, dass ich dich hier finde.« Er neigte den Kopf, doch die Tatsache, dass er an die Wand gedrückt wurde, schränkte seine Fähigkeit, einen imaginären Hut zu ziehen, ein wenig ein.
»Clanloser«, erwiderte ich seinen Gruß, und das Wort hinterließ einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge.
Sein schiefes Lächeln schien zu gefrieren. »Degan.«
»Was?«
»Mein Name. Er lautet Degan.« Er ließ nicht erkennen, zu welchem Clan er einst gehört hatte– nicht dass ich das von ihm erwartet hätte. Verdammt, ich hatte nicht einmal erwartet, dass er mir seinen Namen nennen würde. Schließlich hatte er ihn mir bei keiner der letzten drei Gelegenheiten genannt, bei denen wir uns über den Weg gelaufen waren.
Ich zögerte, ihm meinen Namen ebenfalls zu nennen, tat es aber schließlich doch: »Kita.« Dann wandte ich mich an Nathanial. »Was sollen wir mit ihm machen?«
Der Clanlose– Degan– hatte die ersten beiden Male, als ich ihm begegnet war, aus unbekannten Gründen versucht, mich zu überwältigen, doch beim letzten Mal hatten wir das gemeinsame Ziel verfolgt, einen mörderischen Einzelgänger zur Strecke zu bringen. Außerdem hegten wir Misstrauen füreinander. Während meines Kampfes mit Bryant und Tyler hatte er sich zurückgezogen und mir die Chance gegeben, die Einzelgänger selbst zu erledigen. Gleichzeitig hatte er mir aber angedroht, dass er sie erledigen würde– und mich dazu, falls ich versagte. Ich hatte nicht versagt.
Nathanial stellte den Clanlosen wieder auf die Füße, wich aber nicht zurück. Degan war größer, doch Nathanial strahlte eine größere Bedrohung aus. »Warum bist du hier?«
Degan strich sich über die Vorderseite seines abgetragenen Mantels. Die Bewegung wirkte lässig, aber seine Nasenflügel blähten sich. Er schindet Zeit, um die Gerüche zu prüfen?
Ich verlagerte mein Gewicht. Falls er einen Ausfall versuchte, würde er nicht an Nathanial vorbeikommen, dennoch ballte ich meine gesunde Hand zur Faust.
Er schien zu einer Entscheidung gekommen zu sein, da er die Schultern entspannte
Weitere Kostenlose Bücher