Braut der Nacht
scherte es Degan einen Dreck, dass ich fast nackt war– wie die meisten Shifter–, aber Nathanial schien sich besser zu fühlen, wenn ich mich bedeckte, also tat ich es.
Sobald Nathanial zur Seite getreten war, kam Degan langsam näher, als wolle er dem Vampir Zeit geben, zu protestieren. Es war ein sehr höfliches Verhalten, ziemlich genau das, was ich von einem wohlerzogenen Shifter erwarten würde– und nicht von einem Gestaltwandler, der von seinem Clan verstoßen und als kriminell und nicht vertrauenswürdig gebrandmarkt worden war. Vielleicht versuchte er aber auch einfach nur, seine Haut zu retten.
Er berührte mich nicht, als er dicht vor mir stehen blieb, er beugte sich einfach nur zu mir herunter, die Nase kaum zwei Zentimeter von meiner Haut entfernt. Als er einatmete, strich der Luftzug durch mein Haar und über meinen Hals. Ein Schauer drohte, mir über den Rücken zu laufen. Halb vor Angst, da mich der Geruch nach Wolf einhüllte. Halb nicht vor Angst, da sein Atem meinen Hals berührte. Herrje, ein paar Vampirbisse, und schon hat Tatius mich darauf programmiert zu reagieren. Der Gedanke machte mich wütend, aber die Wahrheit ließ sich nicht leugnen.
Degan trat einen Schritt zurück, und in seiner Miene stand die gleiche irritierte Skepsis wie in dem Moment, als Nathanial eine nackte Wand in eine Tür verwandelt hatte. »Dein Blut ist in dieser Wanne, aber dein verwirrender, vielschichtiger Geruch ist nicht der einzige. Und du hast keine Spur des verdorbenen Geruchs an dir, dem ich auf der Spur bin.«
Das Letzte war tatsächlich erleichternd. Biana hat das ganze Gift herausbekommen. Gut zu wissen. Aber als Degan zurücktrat, wurde seine Verwirrung zur kribbelnden Hitze seines Wolfs. Er war durcheinander, und bis er Klarheit hatte, blieben wir Feinde. Ich konnte seine Überlegung nachvollziehen, sie sogar verstehen.
»Ich wurde vergiftet. Durch…« Ich war mir nicht sicher, wie ich Akane erklären sollte. »Eine fremdartige Schlangen-Gestaltwandlerin. Das Blut stammt von dem Versuch, das Gift aus meinem Körper zu bekommen.«
»Eine Schlange?« Er legte den Kopf in den Nacken und blähte witternd die Nasenflügel.
Dann legte sich sein Tier, und die Energie zog sich zurück unter seine Haut. Beinahe hätte ich vor Erleichterung aufgeseufzt. Er glaubte mir. Ich meine, es stimmte ja– größtenteils–, aber ich war mir nicht sicher gewesen, ob er mir glauben würde.
Ein Lächeln zog über sein Gesicht, als er den Kopf schüttelte. »Nichts ist mehr normal, seit du in meine Stadt gekommen bist.« Dann hob er seinen mitgenommenen Mantel von den Fliesen auf, schlüpfte hinein und ging zur Tür. »Kommt! Ich bringe euch zu der Leiche, die ich gefunden habe.«
Kapitel 16
W ind kitzelte mein Gesicht, während Nathanial mich lautlos durch die Luft trug. Wir folgten dem Clanlosen auf einer Höhe knapp oberhalb der Straßenlampen, in die stärkste Illusion gehüllt, die Nathanial heraufbeschwören konnte. Auf der Straße unterwegs zu sein, erhöhte die Gefahr, erwischt zu werden, aber Tatius war der einzige Vampir in Haven, der stark genug war, um Nathanials Illusion zu durchschauen. Mit etwas Glück war er immer noch mit der Sammlerin beschäftigt. Aber vielleicht auch nicht. Vielleicht war er hier draußen auf der Suche. Es war ein Risiko, das wir eingehen mussten. Nathanial war mit mir einer Meinung, dass es uns helfen konnte, mehr über den enthaupteten Leichnam zu erfahren.
Bis jetzt hatten wir eine menschliche Leiche mit einem fehlenden Kopf und einen Vampirkopf mit fehlender Leiche. Wir würden entweder gleich den Leichnam des Vollstreckers sehen, oder es hatte noch einen weiteren Mord gegeben.
Die hohen Gebäude sausten links und rechts an uns vorbei und machten das Fliegen noch nervenaufreibender als gewöhnlich– oder vielleicht kam das auch daher, dass ich mich nur mit einem Arm an Nathanial festhalten konnte. Nathanial hatte mir eine behelfsmäßige Schiene für meinen verstümmelten Arm gebastelt und einen geborgten Mantel über meinen Schultern zugeknöpft. Möglicherweise hatte die Nervosität auch etwas damit zu tun, wieder von Nathanials warmer Umarmung umschlungen zu sein, aber Nathanial war völlig auf seine Illusion und auf Degans Verfolgung konzentriert.
Hätte er mir nicht gelegentlich mit dem Daumen über den Rücken gestreichelt, hätte ich gedacht, dass er völlig vergessen hatte, dass ich mich an ihn schmiegte. Es war keine Spur mehr von der Hitze zu spüren, die zuvor
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