Braut der Schatten
höhnischen Grimasse hinzu, »und jeder meiner Verwandten wird seine Lektion von mir lernen müssen.«
So viel zu seiner überwältigenden Aufmerksamkeitsspanne.
»Denk an meine Worte, Trehan. Ihr werdet alle von mir lernen – auch wenn euch meine Lehrmethoden womöglich nicht gefallen werden. Und jetzt bring dein Haus in Ordnung!« Ohne Trehan noch eines letzten Blickes zu würdigen translozierte er sich davon.
Als Trehan in seine Bibliothek zurückkehrte, war seine Atmung flach und sein Geist in Aufruhr. Er blieb vor dem Kaminfeuer stehen.
Vielleicht hatte Caspion Bettina ja gezwungen, das Blut zu vergiften. Vielleicht hatte sie ihn gar nicht verraten wollen.
Nicht logisch.
Sie besaß das Gift, sie hatte ihm den Kelch gereicht, sie hatte Trehan aufgefordert zu trinken.
Sie will mich nicht.
Wirklich zu schade.
Er zog seinen Suchertalisman hervor.
Weil sie dabei nämlich verdammt noch mal kein Mitspracherecht hat.
Trehan würde sich nicht länger versagen, was er sich so sehnlich wünschte. Sein grausamer Hunger würde nicht länger ungestillt bleiben. Er würde sich wie ein wahrer Schatten erheben und sich die Frau holen, die ihm keine Ruhe ließ.
46
»Zwei Sorceri und ein Sylph gehen in eine Bar«, murmelte Bettina, als sie durch eine gesprungene Scheibe in das Erol’s spähte, eine Mythenweltkneipe.
An diesem Abend war Bettina in Begleitung von Salem und Sabine, der Königin der Illusionen, Gemahlin des Königs der Wutdämonen und Bettinas geschätzter Gönnerin, unterwegs. Die drei standen vor dem Eingang dieser armseligen Hütte mitten in Louisiana und bereiteten sich darauf vor einzutreten.
Bettina kniff die Augen zusammen, um hineinsehen zu können, doch hinter der dreckverkrusteten Scheibe hing ein Vorhang aus Spinnweben. Dazu kamen noch der Rauch von Zigarren, Opiumpfeifen und Intoxibongs, der die Luft vernebelte. Es war sinnlos. Sie wandte sich wieder vom Fenster ab.
Sabine warf ihre prachtvolle rote Lockenmähne über eine weiße Schulter hinweg nach hinten. »Ich war noch nie Gegenstand eines Witzes, in dessen Pointe nicht das Wort ›Eingeweide‹ vorkam. Aber die Nacht ist ja noch jung.« Sie fuhr mit ihren klauenbesetzten Handschuhen über die Schindelwand der Kneipe.
Salem meldete sich aus Bettinas Halsband zu Wort. »Also, zuerst einmal
geht
Salem nicht. Zweitens? Ich würde wirklich gerne noch heute Nacht in diese Bar gelangen. Drittens wäre ich lieber der Gegenstand eines dreckigen Limericks, vorzugsweise in Gesellschaft der Worte
Jungfernkranz
,
wilder Tanz
und
dicker Schwanz
.«
»Woher wissen wir überhaupt, dass wir hier richtig sind?«, fragte Bettina. Die beiden Sorcera waren auf einer Mission. Sie wollten die Hellseherin Nïx die Allwissende finden, die ohne ein einziges Wort aus Abaddon verschwunden war. Salem hatte sich ihnen angeschlossen, weil er sich mit jemandem treffen wollte, der seinem Netzwerk von Spionen angehörte – angeblich wegen eines Hinweises im Vergiftungsfall.
Die drei hatten sich von einer Wache aus Rune hierher translozieren lassen. Der Dämon wartete auf dem mit Austernschalen bestreuten Parkplatz auf sie, wo er sich zusammen mit den anderen Fahrern die Zeit mit Rauchen vertrieb.
Sabine verdrehte die bernsteingelben Augen hinter ihrer verruchten Ledermaske. »Selbstverständlich sind wir hier richtig. Nïx führt die Vertas an, und dies ist einer ihrer Versammlungsorte.« Sie hob das Gesicht und sog schnuppernd die Luft ein. »Könnt ihr die Selbstgefälligkeit all dieser Gutmythianer da drin nicht riechen?«
Sabines anbetungswürdiger Ehemann war ein Dämon, König Rydstrom der Gute. Wegen ihm hatte sie sich der Vertas angeschlossen, aber das hieß noch lange nicht, dass sie darüber besonders glücklich war.
»Wie sehe ich aus?«, fragte Bettina. Da sie wusste, dass sie möglicherweise neue Verbündete treffen würde, hatte sie sich beim Ankleiden besondere Mühe gegeben: Sie trug ein aufreizendes Bandeau-Oberteil aus Goldfäden, eine Jade-Maske und einen dazu passenden Sarong. Ein Paar goldene Riemchensandalen, in deren Absätzen sich Klingen befanden – eine ganz neue Linie! –, vervollständigte das Outfit. Ihr Schmuck bestand aus ihrer Krone, einem Halsband, zwei Armreifen, einem Oberschenkelreif und einem Fußreif – jedes Stück davon konnte auch als Waffe dienen.
Dies war ihre erste Reise ins Reich der Sterblichen seit dem Überfall, und sie war auf alles vorbereitet – auch darauf, jederzeit ihre Fähigkeit einzusetzen.
Wie eine
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