Braut von Assisi
Spannungen innerhalb der explosiv wachsenden franziskanischen Bewegung, die sich bereits über ganz Europa ausgebreitet hatte. Francesco gab die Ordensleitung an Petrus Catani ab und verfasste auf Druck der Kurie 1223 in der Einsiedelei Fonte Colombo die endgültige Regel für den Orden.
Schwer krank zog er sich 1224 auf den Berg La Verna zurück, wo er eine Felsnische als Einsiedelei bewohnte. Dort empfing er die Stigmata. Sein asketisches Leben forderte seinen Tribut: nahezu blind, magenkrank und durch ständiges Fasten geschwächt, hielt er sich 1226 für einige Zeit im Palast des Bischofs von Assisi auf. Doch als er sein Ende kommen fühlte, ließ er sich zur Portiuncula-Kirche tragen, um dort nackt auf der Erde zu sterben. Einer der Gefährten erbarmte sich und bedeckte ihn. Als er die Augen schloss, sollen der Legende nach Schwärme von Lerchen aufgeflogen sein.
Bereits 1228 wurde Francesco heiliggesprochen; seit 1230 liegen seine Gebeine in einem Steinsarg in der Unterkirche der Basilika San Francesco in Assisi.
Wenn man diese Lebensgeschichte in Kurzform liest, könnte man fast zur Ansicht gelangen, Francesco sei eine Art Spinner gewesen, dem Wahnsinn näher als der Erleuchtung. Wie also konnte es dazu kommen, dass dieser Mann Vorreiter einer riesigen Bewegung wurde, die bis heute virulent ist?
Francesco muss eine ungewöhnliche, charismatische Persönlichkeit gewesen sein, ein Mann, der alle entzünden konnte, die in seiner Nähe waren. Seine Forderung nach Armut in der Nachfolge Jesu und der zwölf Apostel traf eine reiche, satt gewordene Herrschaftskirche, die sich in vielem sehr weit vom Urchristentum entfernt hatte, mitten ins Herz. Zeitgenossen sahen in ihm »einen zweiten Jesus«, den wahrhaften Nachfolger des Messias, der durch sein Leben, seine Predigten und seine Taten wieder dorthin zurückführte, wo der reine, heilige Anfang gewesen war. Heute ist Francesco der Heilige Italiens. Er wird als Beschützer und Fürsprecher der Tiere gesehen, die seine Nähe suchten wie die Menschen, und er verbindet als Integrationsfigur sogar unterschiedliche Konfessionen. Sein »Sonnengesang« – auf Italienisch viel schöner: Il canto delle creature – wird von Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen geliebt.
Ist das wirklich alles, was wir über Francesco wissen?
Denn man kann kaum von Francesco reden, ohne Chiara zu erwähnen. Sie kamen aufeinander zu und blieben einander zeitlebens zugewandt. Beide wählten die extreme Armut und die Fülle des göttlichen Reiches.
Beide predigten bedingungslose Liebe ….
Chiara war im besten Sinn des Wortes eine radikale Frau, eine ver-rückte Heilige. Ver-rückt muss frau ja wohl sein, wenn sie die Armut so sucht und liebt wie diese Heilige aus dem 13. Jahrhundert. Was kann Klara modernen
Frauen sagen? Vielleicht, dass sie sich gegen viele bürgerliche Normen ihrer Zeit stellt? Dass sie sogar Päpsten die Stirn bietet und nicht ein Jota von ihrer Überzeugung abweicht? Dass sie konsequent ihren eigenen Weg sucht und geht, ohne sich von Krankheit, Verleumdungen und Rückschlägen abbringen zu lassen?
Wer war diese Frau?
Chiara Offreduccio entstammte einer adeligen Familie, die in Assisi beheimatet war, und kam dort um 1193 als älteste Tochter zur Welt. Hineingeboren in die klare Ordnung der feudalen Gesellschaft ihrer Zeit, lebte sie in den vornehmen Gassen der Oberstadt. Sie wuchs unter Frauen auf und erhielt eine vorzügliche Erziehung. Behütet von den dicken Mauern im Wohnturm der Familie, wurde sie von Armut und Elend ferngehalten, die in der Unterstadt herrschten. Sie sollte die Welt nicht vor der Hochzeit kennenlernen, und dann an der Seite eines möglichst reichen und mächtigen Ehemanns, der ihr auch künftig alle Sorgen abnehmen würde. Nur der Kirchgang ermöglichte ihr einen Blick über die Grenze und ließ sie in eine Welt da draußen schauen, die so ganz anders war. Was die junge Chiara dabei sah, führte dazu, dass sie Geld und Lebensmittel verschenkte und begann, sich solidarisch mit den Armen zu zeigen.
1202, beim Krieg gegen Perugia, mussten viele Wohlhabende aus Assisi fliehen, darunter auch Chiaras Familie. Dies stellte den ersten Bruch mit ihrem wohlbehüteten Leben dar. Wenig später hörte Chiara zum ersten Mal von Francesco, dem einstmals reichen Tuchhändlerssohn, der sein Hab und Gut verschenkte, sich den Aussätzigen widmete und schließlich ganz und gar mit der Welt seiner Eltern brach.
Ein Name, der sie treffen sollte wie ein
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